taz sieht Einfluss der Kirchen auf die Medien kritisch

Die Fernseh- und Radiosender in Deutschland sind gesetzlich verpflichtet, kirchliche Sendungen in ihr Programm aufzunehmen. Doch die Sender gehen noch weiter und produzieren sogar Sendungen mit kirchlichem Inhalt, schreibt die Tageszeitung taz. Manchmal verdienten die Kirchen auch an den Sendungen, obwohl sie sie nicht selbst produzierten, heißt es im Artikel.
Von PRO
Ob Andachten, Gottesdienste, Bibelspots, Talkshows mit Geistlichen oder das „Wort zum Sonntag“ – die deutschen Radio- und Fernsehsender strahlten „eine Menge kirchliche Sendungen“ aus, schreibt die taz. „Dazu sind sie gesetzlich verpflichtet. Doch sie gehen weit darüber hinaus: Sie produzieren und finanzieren einen Großteil der Kirchensendungen auch selbst.“ Autor des Artikels ist Ulli Schauen, ein Pfarrerssohn und kirchenkritischer Journalist. Er brachte das Buch Buch „Das Kirchenhasser-Brevier“ heraus, in dem er die beiden großen Kirchen in Deutschland kritisiert und das den Untertitel trägt: „Ein verlorener Sohn rechnet ab“.

Schauen nennt als Beispiel die Bibel-Trickfilmreihe „Chi-Rho“, die der Kinderkanal (KiKa) produziert. Die Zeichentrickserie, die seit 2010 läuft, ist allerdings eine Gemeinschaftsproduktion der evangelischen und katholischen Kirchen und des KiKa. Ebenso nennt die taz die von der evangelischen Kirche redaktionell vorbereitete Diskussionssendung „Tacheles“, die auf Phoenix ausgestrahlt wird. „Und RTL finanziert zwei bis drei kirchliche Dokus pro Jahr“, schreibt Schauen.

Im Rundfunkstaatsvertrag heißt es im Paragraf 42: „Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen; die Veranstalter können die Erstattung ihrer Selbstkosten verlangen.“ Schauen stellt fest: „Von einer Pflicht, (die Sendungen) zu produzieren und zu bezahlen, steht dort nichts.“

Insgesamt dürfte es bei den Kosten für die von den Kirchen verantworteten, aber von den Sendern produzierten Sendungen um einen zweistelligen Millionenbetrag gehen, mutmaßt die Zeitung. Dabei sei die Berichterstattung über kirchliche Ereignisse wie Papstbesuche, Katholiken- und Kirchentage nicht mitgerechnet. Allein der WDR produziere jährlich rund 1.180 kirchliche Hörfunkbeiträge (meist von Geistlichen gesprochene Andachten, aber auch rund 60 Radiogottesdienste) sowie fünf Fernsehgottesdienste und 14-mal das „Wort zum Sonntag“.

Das ZDF übertrage fast jeden Sonntag einen Gottesdienst, und die Zeitung schätzt die Produktionskosten auf rund 100.000 Euro pro Sendung. Auf eine Anfrage antwortete das ZDF der Zeitung, die „Verkündigungssendungen“ mit normaler Berichterstattung gleichzusetzen. „Die Kirchen sind gesellschaftlich relevante Kräfte, es gehört zu unseren journalistischen Aufgaben, das kirchliche Leben entsprechend abzubilden. Für Übertragungen aus dem Bundestag oder von Parteitagen zahlen diese ja auch nicht“, so das ZDF. Die Tatsache, dass das ZDF die Gottesdienstsendungen selbst produziert und bezahlt, mit „Ausführungsbestimmungen“ zum ZDF-Staatsvertrag, die den Sender zur Übernahme der Kosten verpflichten würden.

Der WDR wiederum erklärte, die Möglichkeit der Kirchen, sich die Produktionskosten erstatten zu lassen, werde nur im Rundfunkstaatsvertrag erwähnt, nicht aber im entsprechenden Paragrafen des WDR-Gesetzes. Für den WDR gebe es keine Regelung, wonach eine Kostenerstattung möglich wäre. Der Sender bezahle Gemeinden den „nachweislichen Zusatzaufwand“ für Gottesdienste und leistet „Aufwandsentschädigungen“ an das Kirchenpersonal, das Morgenandachten spricht und Gottesdienste kommentiert, schreibt die taz. So erhielten die Kirchenautoren einer Morgenandacht laut WDR jeweils 82,10 Euro. Die Eigenkosten für alle Kirchenproduktionen habe der Sender nicht preisgeben wollen.

Auch RTL strahle „neben allerlei frömmelnden Spots, die die Kirchen selbst produzieren und zuliefern“, auch aufwendig erstellte, kirchlich verantwortete Dokumentationen aus. So trete etwa in der Dokumentation „Der Verrat“ über eine jugendliche Punkerin als Stasispitzel ein Pfarrer als Experte auf, auch wenn er „mit dem Thema nichts zu tun“ habe. Die Sendung werde dadurch zu einer „verkappten Verkündigungssendung“.  Schauen fügt hinzu: „Der Blick der RTL-Reihe richtet sich ausschließlich auf die DDR-Kirche als Opfer staatlicher Unterdrückung, als Freiraum für nichtstaatliche Gruppen und Beistand von Verfolgten. Die Zusammenarbeit der Kirche mit dem DDR-Regime wird ausgeblendet.“ Dass die Evangelische Kirche den Film selbst verantworte, erführen nur aufmerksame Leser des Filmabspanns. (pro)
http://www.taz.de/Medialer-Einfluss-der-Kirchen/!115854/
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