Tarnen, täuschen, rekrutieren: Strategiewechsel bei Scientology?

Macht die Not erfinderisch? Geht Scientology bei seinem Vorhaben neue Mitglieder zu gewinnen ungewohnte Wege? In Nordrhein-Westfalen wurden laut "Welt Online" Exemplare des Buches "Der Weg zum Glücklichsein" an Schulen und Kindergärten verteilt. 21 harmlos wirkende "Regeln" lassen das Buch wie einen Lebensratgeber erscheinen, aber Experten warnen vor der Verbreitung.
Von PRO



Scientology Deutschland bestreitet offiziell, in den Buchversand eingebunden zu sein. Dieser werde von der amerikanischen Stiftung "Way to Happiness Foundation" vertrieben. Nicht zu übersehen ist dabei die Querverbindung: Der Gründer der Stiftung Ron L. Hubbard ist zugleich Gründer von Scientology. Ein Sprecher von Scientology Deutschland bestätigte gegenüber "Welt Online" die Verbindung zwischen beiden Partnern und die Tatsache, dass die Broschüre "innerhalb Scientology als Leitfaden verwendet" werde. Auf der Internetseite des deutschen Scientology-Auftritts ist die Stiftung sogar verlinkt.



Ausbeutung und Menschenrechtsverletzung



Aus Sicht der Geschäftsführerin der Sekten-Info NRW in Essen, Sabine Riede, ist die Stiftung eine "Tarnorganisation". Darüber könne man ganz subtil zu Scientology gelangen. Die Pädagogin wirft Scientology "Ausbeutung“ und "Menschenrechtsverletzungen" vor. Einige Experten vermuten sogar, dass sich hinter der Aktion auch eine Strategie verbirgt, für die Zukunft vermehrt auf jugendliche Mitglieder zu setzen und die Nachwuchsarbeit zu forcieren.



Betroffene Aussteiger erzählen in dem "Welt Online"-Beitrag jedenfalls von Telefonterror und Mails, in denen gedroht wird, sie beim Arbeitgeber anzuschwärzen. Bereits vor einiger Zeit warnte der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen, "dass Scientology getarnt versuche, über Nachhilfe-Kurse in die Gesellschaft weiter vorzudringen". Sie gehe per Internet mit Filmen und Plattformen "auf Kundenfang" und nutze geschickt die sozialen Netzwerke. Weil Scientology in der Öffentlichkeit diskreditiert sei, versuche sie über "Tarnorganisationen" und Stiftungen Mitglieder zu rekrutieren.



Reaktionen der Politik



Der Sektenbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Marc Ratajczak, hat aufgrund der Vorfälle in den Kindergärten und Schulen beim Schulministerium nachgefragt. "Ein solches Buch gehört nicht in eine Schulbibliothek. Es gibt aber keine Hinweise, dass das Buch vermehrt an Schulen angekommen ist", lautete die Antwort von Ministerin Sylvia Lührmann (Grüne). Die Lehrer seien über Scientology informiert. Eine aktuelle Warnung halte man daher nicht für notwendig.



Scientology Deutschland verneinte dagegen direkte Kontakte zu Kindergärten und Schulen. Lediglich hin und wieder fragten Lehrer an, "ob ein Vertreter in der Schule Rede und Antwort stehen kann, was wir auch gerne tun". Vor einer Entzauberung im Unterricht durch Lehrer, die sich charakterlich überlegen fühlten, warnt Riede. Viele junge Menschen hätten sich gerade wegen allzu scharfer Warnungen für das Thema interessiert und ihr eigenes Selbstbewusstsein überschätzt.



Verwirklichung der Weltherrschaft



In Nordrhein-Westfalen ist laut einem Verfassungsschutz-Bericht von 600, im ganzen Bundesgebiet von 6.000 Anhängern die Rede. Demokratiefeindliche Tendenzen, Menschen verachtende Praktiken und die Verwirklichung ihres totalitären Ziels der "Weltherrschaft" hatte das Oberverwaltungsgericht Münster bereits 2008 bestätigt.



Trotzdem bekennen sich viele Prominente öffentlich zu Scientology. Der wohl Bekannteste von ihnen ist der Hollywood-Schauspieler Tom Cruise. Kürzlich erst warf der Landesverband der nordrhein-westfälischen Piratenpartei ein Mitglied aus seiner Partei, weil er "Scientologe" war. Eine Mitgliedschaft in beiden Organisationen sei nicht mit einander vereinbar, so der NRW-Parteiverband. (pro)

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