Analyse

„Tagesschau“-Reel über gläubige Fußballer offline genommen

Nach scharfer Kritik des CDU-Politikers Johannes Volkmann an der Darstellung christlicher Fußballer hat der NDR ein Instagram-Reel offline genommen und einen Online-Artikel überarbeitet. Verstöße gegen die Programmgrundsätze sieht der Sender nicht.
Von Nicolai Franz

Ende Mai hatte ein „Tagesschau“-Beitrag auf Instagram und auf tagesschau.de für Empörung unter Christen gesorgt. Das Reel war ein kritischer Bericht über Fußballer, die sich öffentlich zu Jesus bekennen, zum Beispiel mit Jesus-T-Shirts, Gebetsgesten oder durch öffentliche Bekenntnisse auf Social Media.

Der Beitrag (hier geht’s zum Text) warnte vor bestimmten Frömmigkeitsrichtungen und brachte sie in Verbindung mit Homophobie, aggressiver Missionierung und „ultrakonservativen Ansichten“. Viele gläubige Menschen erkannten darin eine Diffamierung ihres Glaubens, insbesondere wenn er öffentlich gelebt wird.

Beim CDU-Bundestagsabgeordneten Johannes Volkmann waren nach eigenen Angaben viele kritische Äußerungen aus seinem Wahlkreis (Lahn-Dill) eingegangen. Der Politiker legte Programmbeschwerde ein und kritisierte die „pauschale Problematisierung christlicher Glaubensbezeugungen wie dem Kreuzzeichen, Danksagungen an Gott oder Bekenntnisse zum Glauben im Rahmen sportlicher Betätigung“, das stelle „Missachtung der religiösen Überzeugungen gläubiger Christen dar“. Es werde der Eindruck erweckt, dass diese Ausdrucksformen unangemessen oder störend seien – „ohne jede Einordnung, ohne Perspektivenvielfalt und ohne den Versuch, religiöse Ausdrucksformen im Sinne der Meinungs- und Religionsfreiheit zu respektieren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Bekenntnisfreiheit auch die Weitergabe und das Werben für eigene religiöse Überzeugungen umfasst.“

Der NDR-Rundfunkrat lehnte die Programmbeschwerde ab. In einem zweieinhalb-seitigen Schreiben vom 24. Juli, das PRO vorliegt, ging ARD-Chefredakteur Marcus Bornheim auf die Kritik ein – und verteidigte die Beiträge grundsätzlich. Ein Verstoß gegen presseethische Standards oder den Medienstaatsvertrag liege nicht vor. Der Bericht ordne ein, „wann missionarische Aktivitäten problematisch sein können, beispielsweise wenn sie ein Wertesystem als Glaubensgrundlage vermitteln, das von einer systematischen Unterordnung der Frau ausgeht, Homosexualität ablehnt oder Queerfeindlichkeit als Grundsatz beinhaltet“, so Bornheim, der den bemerkenswerten Satz folgen ließ: „Dies steht dem Gleichheitsgrundsatz und Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes entgegen.“

Der Satz lässt insofern aufhorchen, als das Recht auf freie Religionsausübung grundgesetzlich verbrieft ist. Und dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das sogenannte „Antidiskriminierungsgesetz“ explizit Ausnahmen religiöser Gruppen vorsieht. Folgt man der juristischen ARD-Argumentation, wäre etwa die Katholische Kirche eine Institution, die systematisch gegen das Grundgesetz verstößt, weil sie nur Männer zum Priester weiht.

Dass ein Öffentlich-rechtlicher Sender einen Verstoß gegen Programmgrundsätze feststellt, ist wohlgemerkt der absolute Ausnahmefall, wie eine PRO-Recherche aus dem Jahr 2021 zeigt:

PRO hat zusammengetragen, wie die ARD-Anstalten sowie das ZDF, Deutschlandradio und die Deutsche Welle über Programmbeschwerden beschieden haben – von 2016 bis 2021. In diesen sechs Jahren sind 377 Programmbeschwerden eingegangen. 99,1 Prozent davon wurden abgelehnt.

Dennoch gab sich der Sender teilweise selbstkritisch: Bei der Prüfung habe man festgestellt, „dass durch den Aufbau und die Strukturierung des Textes sowie einzelne Formulierungen der Eindruck entstehen könnte, wir würden Missionsarbeit generell einen Vorwurf machen“, so Bornheim. „Deswegen haben wir den tagesschau.de-Artikel in dieser Hinsicht überarbeitet und dies unter dem Artikel auf tagesschau.de und auf unserer Korrekturenseite transparent gemacht. Da sich das Social Media-Video, das auf dem tagesschau.de Artikel aufbaute, nachträglich nicht bearbeiten lässt, haben wir es offline gestellt und auf der Korrekturenseite darauf hingewiesen.“

Ein Vergleich mit der ursprünglichen Version zeigt eine deutliche Überarbeitung: So wurde aus der ursprünglichen Überschrift „Religiöse Fußball-Influencer für Evangelikale“ ein deutlich weniger scharfes „Wie religiöse Organisationen Fußball-Profis für ihre Missionsarbeit nutzen“. Im Rest des Textes wird die Kritik an bestimmten gläubigen Fußballern aber eher vertieft als abgemildert. Außerdem findet sich unter dem Artikel ein Korrekturhinweis.

Volkmann reagierte gegenüber PRO zufrieden mit dem Ergebnis. Er freue sich, dass die ARD den Artikel überarbeitet und das Reel offline gestellt habe. „Es ist eine wichtige Klarstellung, dass christliche Glaubensbezeugungen Fußballern nicht zum Vorwurf gemacht werden.“ Mit Blick auf die Stellungnahme komme er in wesentlichen Punkten nach wie vor zu einer anderen Beurteilung als die Redaktion. „Dennoch ist es ein gutes Zeichen, dass die ARD responsiv auf konstruktive Kritik reagiert.“

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