Wie der Würzburger Religionspädagoge Hans-Georg Ziebertz und sein Team herausfanden, kommen demnach nur 23 Prozent der deutschen Jugendlichen aus einem religiösen Elternhaus oder bezeichnen sich selbst als religiös. In der Türkei sind es hingegen 81 Prozent und in Polen 80 Prozent der Jugendlichen.
Die Studie ergab weiter, dass Jugendliche aus traditionell christlichen Ländern wie Polen, Kroatien und Irland am religiösesten sind. Junge Leute aus protestantischen Ländern wie Finnland und Schweden gehörten, wie auch die Deutschen, Briten und Niederländer, hingegen zu den weniger religiösen. Ziebertz zieht folgenden Schluss aus dem Ergebnis: „Der Islam hat nach wie vor einen großen Einfluss auf junge Menschen, während die Bindungskraft des Christentums in Europa vergleichsweise schwach ausgeprägt ist.“
Ein Grund für die unterschiedliche religiöse Entwicklung scheint in der Erziehung zu liegen. Beispielsweise sagen 97 Prozent der Türken und 96 Prozent der Polen, die an der Befragung teilnahmen, ihren Eltern sei es wichtig, dass sie ihren Glauben und ihre Wertevorstellungen übernähmen. In Deutschland sind nur 14,1 Prozent dieser Meinung. Doch auch die Schulen haben maßgeblichen Einfluss auf die religiöse Entwicklung der Kinder. 80 Prozent der Polen und 70 Prozent der Türken sagen, der ideale Religionsunterricht sei der, der die Kinder der Kirche beziehungsweise dem Islam näher bringe. In Deutschland meinen das nur 17,8 Prozent, heißt es in der „F.A.S.“ weiter.
Gott – die ferne Kraft
„Das Interesse an der Religion ist aber gleichwohl da“, sagt der Wissenschaftler. Denn 81,6 Prozent der deutschen Jugendlichen sind für eine sachliche Information über Religionen im Schulunterricht. Das finden auch 76 Prozent der Türken. Ziebertz folgert daraus: Jugendliche von heute wünschten sich in der Religion Vielfalt und Pluralität, eben dasselbe, was auch in anderen Lebensbereichen des demokratischen Westens gelte.
So seien die meisten Jugendlichen nicht atheistisch. Sie glaubten durchaus an einen Gott, und zwar als eine ferne Kraft. Jedoch: „Das ist also nicht der Gott, dessen Menschwerdung Christen an Weihnachten feiern“, erklärt Ziebertz. Vielleicht liegt darin ein Grund, weshalb die meisten Jugendlichen die Vorstellung ablehnen, dass die eigene Religion einer anderen überlegen sei. Nur sechs Prozent der befragten Deutschen glauben, die eigene Religion sei die einzig wahre. Unter den befragten Türken sind hingegen 68 Prozent dieser Meinung.