Viele Türkeistämmige fühlen sich in Deutschland gut integriert. Doch für etwa die Hälfte der türkischen Einwanderer der ersten und zweiten Generation sind die Gebote des Islam wichtiger als die Gesetze des deutschen Staates. Das geht aus einer Studie zu Integration und Religion der Universität Münster hervor.
Wichtiges Identitätsmerkmal für junge Türken: der Glaube an Allah
Der Glaube an Allah ist für viele Türkeistämmige in Deutschland ein wichtiges Merkmal ihrer Identität. Das zeigen Ergebnisse der repräsentativen Studie „Integration und Religion aus Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland“, die im Auftrag der Universität Münster durchgeführt worden ist. Es ist die erste umfassende Studie zu diesem Thema.
Etwa 41 Prozent der Migranten der ersten Generation besuchen einmal oder öfter in der Woche eine Moschee, aus der zweiten und dritten Generation sind es nur 34 Prozent. Für mehr als die Hälfte der Befragten ist es wichtiger, die Gebote des Islams zu befolgen als die des deutschen Staates. Diese Haltung sei „beträchtlich“, heißt es in der Studie.
„Mehr Kontakte zu Muslimen aufbauen“
Zusätzliche Analysen dieser Studie haben gezeigt, dass die Popularität fundamentalistischer Haltungen in Zukunft allerdings zurückgehen kann. Die Voraussetzung dafür laute jedoch, dass die Integration der zweiten und dritten Generation weiterhin erfolgreich sein müsse. Der Kontakt zur Mehrheitsgesellschaft sei einer der wichtigsten Faktoren, um fundamentalistischen Haltungen entgegenzuwirken. Durch gute Sprachkenntnisse sei die Einbindung in den Arbeitsmarkt einfacher. Existiere jedoch eine sprachliche Barriere, bestehe die Gefahr, dass sich der Türkeistämmige nur innerhalb seiner muslimischen Netzwerke aufhalte, warnt die Studie.
„Politik und Zivilgesellschaft sollten dringend mehr Kontakte zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen fördern“, sagte der Leiter der Studie „Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland“ aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster, Religionssoziologe Detlef Pollack, am Donnerstag in Berlin. „Ob in Sportvereinen, Schulen, Bildungshäusern, Kirchen- oder Moscheegemeinden: Sie sollten sich treffen, gemeinsam aktiv werden, vorurteilsfrei diskutieren oder feiern. Signale mangelnden Respekts und verweigerter Anerkennung sind zu vermeiden.“
Kulturelle Anpassung
Rund 90 Prozent der Türkeistämmigen fühlt sich wohl in Deutschland. „Das Bild von der persönlichen Lebenssituation der in Deutschland lebenden Türkeistämmigen ist positiver, als man es angesichts der vorherrschenden Diskussionslage zur Integration erwarten würde“, sagte Pollack. Jedoch weniger als die Hälfte sehen sich sozial anerkannt und empfinden sich als „Bürger zweiter Klasse“, egal wie sehr sie sich bemühen.
Im Gegensatz zur Haltung der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland schreiben die Türkeistämmigen dem Islam vor allem positive Eigenschaften wie Solidarität, Toleranz und Friedfertigkeit zu. Mehr als 80 Prozent der Zuwanderer und ihrer Nachkommen erklären, es mache sie wütend, wenn nach einem Terroranschlag als erstes Muslime verdächtigt würden.
Dass sich Muslime an die deutsche Kultur anpassen sollten, meinen 72 Prozent der älteren Generation und 52 Prozent der jüngeren. 86 Prozent der zweiten und dritten Generation denken, man solle selbstbewusst zur eigenen Herkunft stehen. Das sehen aus der ersten Generation nur 67 Prozent so.
Das Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ der Universität Münster ist bundesweit die einzige Forschungseinrichtung mit diesem thematischen Schwerpunkt. Für die Studien befragte TNS Emnid zwischen November 2015 und Februar 2016 rund 1.200 Einwanderer aus der Türkei. Auch Nachkommen ab 16 Jahren konnten an der Studie teilnehmen. Die Befragungen fanden in deutscher und in türkischer Sprache statt.
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