Studie erforscht politische Kultur und Religiosität

Ein Studie soll den Zusammenhang von Religiosität und politischen Einstellungen erhellen. Die Forschungsarbeit wird von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) finanziert.
Von Norbert Schäfer
Eine gemeinsame Studie der Universitäten Leipzig, Duisburg-Essen, Luzern und Bern will die Wirkung verschiedener Typen von Religiosität auf politische Einstellungen ergründen

Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche untersuchen in den kommenden zwei Jahren den Zusammenhang von Religiosität und politischen Einstellungen. Die Forscher wollen nach Angaben einer Presseinformation vom Dienstag unter anderem herausfinden, welche Formen von Religiosität welchen Einfluss auf antidemokratische Haltungen haben und welche religiösen Formen demokratieförderlich sind.

Die Studie wird von Wissenschaftlern der Universitäten Leipzig, Duisburg-Essen, Luzern und Bern gemeinsam durchgeführt. „Im Zentrum der Studie stehen die Wirkungen, die verschiedene Typen von Religiosität auf politische und antidemokratische sowie rechtsextreme Einstellungen besitzen und wie dies die politische Kultur in Deutschland beeinflusst“, sagt der Religionssoziologe Gert Pickel, Sprecher des interdisziplinären Konsortiums. Dazu wollen die Forscher in einer repräsentativen Umfrage 2.500 Bürger befragen und dabei neu entwickelte Instrumente der politischen Kulturforschung anwenden.

Religion hat „Marker“-Funktion

„Aktuell haben wir es mit durchaus schwierigen politischen Diskussionen zu tun, in denen auch die Religion eine bedeutende Rolle spielt“, erklärt Pickel auf Anfrage von pro. „Einerseits, dass man sich fragt, welche politischen Einstellungen religiöse Menschen unterschiedlicher Frömmigkeitsstile haben, andererseits dient die Religion als eine Art ‚Marker‘, auf den man sich in politischen und gesellschaftlichen Debatten bezieht. Beispielsweise, wenn Politiker politische Haltungen versuchen durch den Bezug auf den Islam zu begründen und bestimmte Positionen damit durchsetzen möchten.“ Zudem wollen die Forscher der Frage nachgehen, inwiefern Religion die deutsche Demokratie stabilisiert oder schwächt und ob bestimmte Formen von Religiosität in Beziehung zu Vorurteilen stehen.

„Wir haben erste Hinweise, die darauf hindeuten, dass eher dogmatischere Haltungen bei religiösen Menschen dazu führen, dass auf eine bestimmte Art und Weise rechtspopulistischen Aussagen eher zugestimmt wird“, erklärt Pickel gegenüber pro. Das zeige sich auch daran, dass bei diesen Personen die Abwehrhaltung gegenüber anderen Religionsgemeinschaften stärker ausgeprägt sei. Bislang vorliegende Umfragen hätten allerdings unbefriedigende Ergebnisse geliefert. Bisher seien differenzierte Fragen zu Religiosität und politischer Kultur sowie spezifische Vorurteilsmuster nicht in einer Umfrage gemeinsam erfasst worden. Das wollen die Wissenschaftler nun nachholen und dadurch tiefere Kenntnisse über das Verständnis von Demokratie in Verbindung mit Religion gewinnen.

Hinweise deuten auf „theologische Begründungslinien“

„Ausgangspunkt des Interesses sind speziell die in den vergangenen Jahren immer stärker zu Tage tretenden Prozesse gesellschaftlicher Polarisierung und Radikalisierung, die auch vor Kirchengemeinden nicht Halt gemacht haben“, erklärt Pickel. Deshalb habe die EKD die Studie öffentlich ausgeschrieben, erklärt der Wissenschaftler, und weiter: „Es finden sich verschiedene Vorstellungen und theologische Begründungslinien, die unterschiedliche Positionen zu Demokratie ebenso wie zu rechtspopulistischen beziehungsweise rechtradikalen Argumenten nach sich ziehen.“

In der Studie wollen die Wissenschaftler neben der persönlichen Relevanz und der inhaltlichen Ausrichtung der Religiosität auch das Demokratieverständnis, das soziale Engagement, die Haltung zu Anti-Genderismus und die Persönlichkeitsstruktur der Studienteilnehmer ergründen. Aufgrund dieser Vielfalt inhaltlicher Fragestellungen haben sich Forscher der Fachrichtungen Soziologe, Religionswissenschaften, Rechtsextremismusforschung, Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften zusammengeschlossen. 2021 wollen die Wissenschaftler der Öffentlichkeit erste Ergebnisse präsentiert.

Von: Norbert Schäfer

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