Streit um Abtreibungs-Spot im britischen TV

Erstmals ist im britischen Fernsehen ein Werbespot für eine Abtreibungsorganisation ausgestrahlt worden. Eigentlich sind derartige Werbefilme in Großbritannien verboten, aber die Organisation "Marie Stopes International" (MSI) gibt sich als Wohltätigkeitsorganisation. Schon vor der Ausstrahlung gab es Proteste.
Von PRO
Der Spot ist 30 Sekunden lang und Teil einer Werbekampagne der Organisation "Marie Stopes International". Schätzungen zufolge kostete die Kampagne umgerechnet rund 350.000 Euro. Der Werbefilm lief erstmals an Pfingstmontag auf Channel 4 während einer Gameshow. Bis Ende Juni soll er regelmäßig ab 22.10 Uhr ausgestrahlt werden.

Zu sehen ist zunächst ein Mädchen an einer Bushaltestelle, neben ihr wird der Text eingeblendet: "Jenny Evans ist spät dran." Dann wird eine junge Mutter gezeigt, und auch sie ist "spät dran". Als eine weitere junge Frau gezeigt wird, sagt eine weibliche Stimme aus dem Off: "Wenn eine Frau auf ihre Regel wartet, könnte sie schwanger sein." Bei leichter Klaviermusik heißt es: "Wenn Sie schwanger sind und nicht wissen, was Sie tun sollen, dann könnte ‚Marie Stopes International‘ helfen". Eine Telefonnummer und die Webseite der Organisation werden eingeblendet.

Großbritannien hat vor 42 Jahren Schwangerschaftsabbrüche bis zur 28. Woche erlaubt (seit 1990: bis zur 24. Woche). Laut der BBC wurden im Jahr 2008 in Großbritannien 195.300 Abtreibungen in England und Wales vorgenommen, in Schottland waren es fast 14.000. Damit nimmt Großbritannien einen Spitzenplatz in Europa ein. Rund 65.000, als ein Drittel der Abtreibungen im Vereinigten Königreich, werden von "Marie Stopes International" durchgeführt. Die Kosten für einen Abbruch betragen 600 bis 2.000 Euro. Jede zweite der zahlreichen Teenager-Schwangerschaften endet mit Abtreibung. In Nordirland, wo Abtreibung illegal ist, wird der Spot nicht ausgestrahlt.

Benannt nach bekannter Eugenik-Befürworterin

Die Organisation "Marie Stopes" macht nach eigenen Angaben keine Gewinne. Sie unterhält allein in Großbritannien neun Zentren für Abtreibungen und Sterilisierungen. Weitere MSI-Zentren gibt es in 41 Ländern. MSI führte nach eigenen Angaben im Jahr 2007 etwa 430.000 Abtreibungen durch. "Marie Stopes" wurde benannt nach einer schottischen Frauenrechtsaktivistin und Botanikerin. Stopes (1880 – 1958) war eine bekannte Befürworterin der Eugenik, sie befürwortete die Zwangssterilisierung von Erbkranken und für "solche, die zur Elternschaft ungeeignet sind". Sie lag im Streit mit der Kirche von England und der katholischen Kirche.

MSI teilte mit, dass jährlich rund 350.000 Menschen bei den telefonischen Beratungszentren anrufen. "40 Jahre nach der Legalisierung der Abtreibungen wird es Zeit, eine breite öffentliche Diskussion zu eröffnen. Wir möchten die Frauen ermutigen, ehrlich und offen über ihre Möglichkeiten zu reden, zu denen die Abtreibung gehört", ließ sie verlauten.

Kritiker sehen Bagatellisierung von Abtreibung

Kritiker werfen MSI vor, das Thema Abtreibung mit dem Werbespot zu bagatellisieren. "Es ist grotesk, Abtreibungs-Anbietern zu erlauben, im Fernsehen Werbung zu machen – als ob sie nichts anderes wären als Autofirmen oder Waschmittel-Hersteller", sagte Michaela Aston, Sprecherin der Organisation "Life". "Wenn man so tut, als sei Abtreibung eine weitere Wahlmöglichkeit von Konsumenten, trivialisiert man menschliches Leben." Abtreibung müsse begrenzt bleiben auf besonders schwere Fälle und dürfe nicht zum Massenphänomen werden.

Die nicht-kommerzielle Organisation "The Society for the Protection of Unborn Children" (Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder) kündigte an, rechtliche Schritte zu prüfen. Deren Sprecher, Anthony Ozimic, sprach von einem "unfairen Spiel". MSI behaupte, eine karitative Hilfseinrichtung für Frauen zu sein, dennoch erlaube ihr der Gewinn eine Fernsehkampagne. Peter Saunders, Vertreter der christlichen Mediziner, fürchtet, dass "noch mehr Frauen auf dem Fließband der hiesigen Abtreibungsindustrie landen" werden. Unabhängig von der Frage, ob MSI Profit mache oder nicht, der Sinn eines Werbespot für Abtreibung bestünde offensichtlich darin, Abtreibung zu "verkaufen".

Die britische Behörde zur Überwachung von Werbung rechtfertigt die Zulassung des Spots damit, dass er mit den allgemeingeltenden Regeln übereinstimme, die Zuschauer nicht in die Irre führe und einer "sozialen Verantwortung gerecht" werde. (pro)
http://www.mariestopes.org.uk
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