„Stern“-Reporter war „undercover bei Scientology“

Nach außen tritt die "Church of Scientology" als Kirche auf, intern will sie eher als "Firma" gelten. Ein Reporter des Magazins "Stern" hat sich fünf Monate lang unter einem anderen Namen in die Organisation eingeschleust. Vom Versuch der "Kirche", von Berlin aus Deutschland zu erobern, berichtet er in der aktuellen Ausgabe.
Von PRO

Fredy Gareis ist schon bald zermürbt. Nachdem er sich als neues Mitglied beim Scientology-Hauptquartier in Berlin eingetragen hat, fordern die Scientologen nicht nur von ihm, sein altes Leben auf die Organisation auszurichten und schlagen ihm vor, sich von seiner Freundin zu trennen. Sie lassen ihn auch nicht mehr los, rufen regelmäßig bei ihm zu Hause an und verlangen seine Mitarbeit für 52 Stunden in der Woche und eine Verpflichtung für mehrere Jahre. „Wir sind wie Rottweiler“, sagt eine Scientologin, die den „Stern“-Autoren in die Berliner Zentrale gelockt hat. „Wir lassen nicht mehr los.“

Ob und wie viel Gehalt Gareis, der sich als der arbeitslose Thorsten Brock ausgibt und eine kleine Kamera einschleust, bei Scientology verdienen würde, kann die Mitarbeiterin nicht sagen. Sie selbst verdiene 50 Euro in der Woche. Ein Mitarbeiter erklärt ihm, im Gegensatz zu einer normalen Firma gebe es kein Geld. „Firma?“, schreibt Gareis. „Ich dachte immer, dass sie sich als Kirche bezeichnen.“ Er selbst muss für die Auditing-Sitzungen zahlen.

Deutschland muss „clear“ werden, das ist das Ziel der deutschen Scientologen. Berlin sei bei dem Versuch, die Welt für die Ideologie des Science Fiction-Autors L. Ron Hubbard zu gewinnen, im weltweiten Vergleich Nummer Eins. Die deutsche Hauptstadt sei der Start für „eine neue Zivilisation“. „Und damit drehen wir auch Europa!“, sagt die Chefin der Berliner Zentrale, Irmi Tjarcks.

Weil seine Freundin – gespielt von einer Kollegin – angeblich gegen Scientology ist, sollte Gareis sich am besten von ihr trennen, wird ihm geraten. Bei einem gemeinsamen Treffen mit ihr und zwei Scientology-Anhängern in einer Berliner Kneipe versuchen die Scientologen gezielt, ihn und seine angebliche Freundin zu trennen. „Wie kann das sein, dass hier zwei 19-Jährige lächelnd versuchen, meine Beziehung zu zerstören, um mich finanziell und geistig auszunehmen?“, wundert sich der „Stern“-Autor.

„Die Methoden der Scientology gehen an die Substanz“, resümmiert Gareis. „(…) Es ging nicht um ‚die völlige Freiheit und Unsterblichkeit‘, die Scientology angeblich allen Menschen schenken will. Ich war nur eine Nummer, ein Abschluss. Wie muss es erst Menschen gehen, die in die Fänge von Scientology geraten.“ (PRO)

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