„Stern“: Kampf der Religionen in Haiti

Über zwei Monate nach dem Erdbeben in Haiti droht dort laut dem "Stern" ein Bürgerkrieg zwischen Voodoo-Anhängern und Christen. US-amerikanische Missionare strömten zu Tausenden ins Land, schreibt das Magazin. Vor Ort leisteten sie nicht nur Hilfe für die notleidende Bevölkerung – sie versuchten auch, den weit verbreiteten Voodoo-Glauben auszulöschen.

 

Von PRO

"Wir stecken keine Nadeln in kleine Puppen. Das einzige, was wir tun, ist an Feiertagen Tiere zu opfern. Aber das machen andere Religionen auch", sagt Max Beauvoir im "Stern". Er ist das Oberhaupt aller haitianischen Voodoo-Priester und verteidigt seinen Glauben gegen die derzeit ins Land strömenden amerikanischen Missionare: "Was soll man von solchen Menschen erwarten?", fragt er.

Mit "solche Menschen" meint er jene, die laut "Stern"-Report Ende Februar eine Voodoo-Zeremonie in Cité Soleil, einem der größten Slums von Port-au-Prince, gestürmt haben. In der Reportage heißt es: "Die Voodoo-Anhänger hatten gerade begonnen, ihre Trommeln zu schlagen, als der Mob anrückte. Bewaffnet mit Knüppeln, aufgehetzt von einem Baptisten-Pastor, der in sein Megafon rief: ‚Voodoo ist schuld am Beben.‘ Pflastersteine flogen, Trommeln wurden zertrümmert, Fahnen zerfetzt. Die Angreifer warfen alles auf einen Haufen und steckten ihn in Brand. 20 Menschen wurden verletzt, drei erlitten schwere Kopfwunden. Am Ende traten zwei Jungen in die Mitte des Platzes, wo mit Kreide das Symbol der Göttin der Friedhöfe gezeichnet war, und pinkelten unter Beifall des johlenden Baptisten-Kommandos darauf."

Nächstenliebe und religiöser Eifer

Auch dass die Missionare vor allem zur humanitären Hilfeleistung nach Haiti reisen, zeigt der Artikel auf. Seit dem Beben sei Nächstenliebe vielerorts mit religiösem Eifer verbunden. Die ehemals exklusivste Privatklinik in Sacre Coeur werde mittlerweile fast gänzlich von Missionaren betreut. Hunderte Menschen kämen in den zahlreichen Gottesdiensten der Christen zum Glauben. Bereits vor dem Erdbeben hätten rund 1.700 Missionare in Haiti gearbeitet. Bis heute habe sich die Zahl vervielfacht.

Weil diese Missionare den Voodoo-Kult so vehement bekämpften, drohe nun ein Bürgerkrieg, schreibt der "Stern": "Der neue Angriff auf die Voodoo-Tradition wird aus den USA geführt. Von religiösen Eiferern protestantischer Freikirchen. Baptisten, Adventisten, Evangelikale, Pfingstkirchler. Sie sind sich einig, dass das Beben, bei dem mehr als 200.000 Menschen starben, ein Zeichen Gottes war." So hatte etwa der amerikanische Fernsehprediger Pat Robertson den "Pakt mit dem Teufel" als Grund für eine "Strafe Gottes" bezeichnet. Er berief sich damit auf einen Bericht, nach dem die Bevölkerung 1791 diesen Pakt geschlossen habe, um von den französischen Kolonialherren befreit zu werden. Das sagte der 79-Jährige im Fernsehsender "Christian Broadcasting Network (CBN). Seit 2003 ist Voodoo neben dem Katholizismus offizielle Staatsreligion von Haiti. Drei Viertel aller Haitianer hängen beiden Glaubensrichtungen an. Vielen bietet der Glaube mitten in der Katastrophe einen letzten Halt.

"Wer in dieser Situation zum Kampf gegen eine Religion aufruft, riskiert einen Bürgerkrieg", heißt es im "Stern". Der Angriff der Christen auf die Voodoo-Zeremonie in Cité Soleil sei nur der Anfang gewesen. Immer wieder seien seitdem Zeremonien überfallen oder Tempel zerstört worden. Mittlerweile seien alle Veranstaltungen der Voodoo-Anhänger unter freiem Himmel bis auf weiteres abgesagt worden. Das Magazin zitiert die Hohepriesterin Mambo La Belle Déesse Dereale: "Wenn sie unsere Tempel niederbrennen, zünden wir ihre Kirchen an. Die Voodoo-Anhänger sind bereit, für ihre Religion zu sterben." (pro)

https://www.pro-medienmagazin.de/gesellschaft.html?&news[action]=detail&news[id]=2692
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