„Stern“-Journalist: „Vermisse Kirchen in den Medien“

K ö l n (PRO) - Der stellvertretende "Stern"-Chefredakteur Hans-Ulrich Jörges hat die Kirchen zu einer größeren Präsenz in den Medien aufgefordert. Christen müssten die Chancen der neuen Medien viel besser nutzen, sagte der Journalist, der sich selbst als "Atheist" bezeichnete, am Samstag beim Evangelischen Kirchentag in Köln.
Von PRO

Die Kirchen hätten in der Vergangenheit viele Chancen verpasst, so Jörges bei einem Podiumsgespräch zum Thema: „Glauben im Scheinwerferlicht. Die Religion kehrt in die Öffentlichkeit zurück“. Jetzt solle die evangelische Kirche zumindest ein eigenes Internetfernsehen einrichten – das sei auch nicht teuer. Er riet den Kirchen, bei der Wahl ihrer Repräsentanten darauf zu achten, dass sie eine für die Menschen verständliche Sprache verwendeten.

Jörges lobte die Handreichung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Islam als „überfällig“. Er regte ein Nachdenken über Leitkultur an. Für ihn gehörten dazu die Menschenrechte, Toleranz und die Gleichberechtigung der Frau.

Der Fernsehmoderator Reinhold Beckmann (ARD) fügte hinzu, in der heutigen „Höchstgeschwindigkeitswelt“ seien Menschen auf der Suche nach festen Koordinaten. Doch obwohl es ein neues Interesse an Religion gebe, seien kirchliche Themen keine Quotenholer. Zudem sei es schwierig und ein langwieriger Prozess, katholische Vertreter in seine Sendung zu holen. In letzter Zeit seien in der Talkshow öfter religiöse Themen zur Sprache gekommen. Dies ergebe sich jedoch nicht aus einer „neuen Religiosität“, sondern aus dem Wunsch der Redaktion, den „ganzen Menschen abzubilden“.

Huber: Fernsehen macht es Bischöfen schwer

Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, entgegnete, dass es auch für Bischöfe schwer sei, die Bedingungen des Fernsehens zu erfüllen. Er selbst sei einmal bei einer Talkshow wieder ausgeladen worden, nachdem er seine Position bekannt gegeben hatte. Ein kirchlicher Vertreter müsse schon vor seinem ersten Auftritt prominent genug für eine Quote sein.

Bischof Huber wandte sich gegen die Rede von einer „Wiederkehr der Religion“. Er nehme stattdessen eine neue Aufmerksamkeit für Religion wahr. Umfragen zeigten, dass es sowohl mehr Gläubige als auch mehr Atheisten gebe als vor einigen Jahren, als die Gleichgültigkeit gegenüber Religion größer gewesen sei.

Die Fernsehgottesdienste bezeichnete Huber als gute Möglichkeit für kranke Menschen. Allerdings könnten sie nicht am Abendmahl teilnehmen. Deshalb müssten Pfarrer diese Gemeindeglieder besuchen. Jeder, der fit genug für den Kirchenbesuch sei, solle hingegen in den Gottesdienst gehen. Denn „dass mir von einem anderen etwas gegeben wird, gehört zum christlichen Glauben“.

Für Katastrophen wie den Amoklauf von Erfurt oder den Tsunami empfahl Huber den Christen, nicht auszuweichen. Falls ihnen die Worte fehlten, seien Texte wie der 23. Psalm hilfreich. Christen sollten jedenfalls nicht über die Probleme der Welt reden und dabei Gott verschweigen.

Parzany: Christliche Botschaft persönlich und öffentlich

Der Hauptredner der Satellitenevangelisation „ProChrist“, Ulrich Parzany, wies darauf hin, dass die christliche Botschaft zugleich persönlich und öffentlich sei. Deshalb setze „ProChrist“ auf einen Medienmix. Bei der Übertragung würden Predigten öffentlich weitergegeben. Vor Ort fänden sich jedoch Mitarbeiter, die für ein persönliches Gespräch zu Verfügung stünden. „Wir wollen den Menschen dienen und den Glauben zu einem Gesprächsthema machen.“

Doch nicht die Medien machten das Christentum groß, sondern das Leiden der Christen. Als Beispiel nannte der frühere CVJM-Generalsekretär das kommunistische China, wo die Kirche heute schneller wachse denn je zuvor. Allerdings erscheine das im persönlichen Gespräch, was in den Medien vorkomme. Und weil es ohne Bibellese kein mündiges Christsein gebe, förderten Christen die Alphabetisierung. Wenn Christen keine Antworten gäben, werde vielleicht das Klima der intensiven Fragen nach dem Sinn des Lebens wieder verschwinden.

Wissenschaftler: Christus als „Medium“

An der Diskussionsrunde nahmen außerdem der Intendant des Hamburger Thalia-Theaters, Ulrich Khuon, und die WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff teil. Eingeleitet wurde das Thema durch einen Vortrag des Mannheimer Sprach- und Literaturwissenschaftlers Jochen Hörich zur Frage: „Passen Religion und Medien zusammen?“ Er bezeichnete Jesus als „Medium“ des Christentums, in dem nach christlicher Auffassung Gott seine Liebe den Menschen offenbart habe – denn: „Das Wort ward Fleisch“. Paulus sei ein „religiös motivierter Medienprofi“ gewesen. Das Abendmahl nannte er das „erste Massenmedium“ in der Geschichte.

Es gebe bei Christentum und Medien die gleichen Leitbegriffe, fügte Hörich hinzu. Dazu gehörten die Ausdrücke Mission/Emission, Sendung oder (Ex-)Kommunikation. Martin Luthers Forderung „sola scriptura“ (allein die Schrift) habe eine konsequente Nutzung des neuen Mediums Buchdruck zur Folge gehabt. Das Christentum passe besser zu den Medien als beispielsweise Politik oder Wirtschaft – deren Vertreter fühlten sich von Berichterstattern beobachtet. Alle medientechnologischen Revolutionen hätten sich in einem christlichen Umfeld ereignet, der Islam sei zu derlei nicht fähig.

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen