"Ich bin der Meinung, dass wir rechenschaftspflichtig sind für unser Leben", sagte Schneider auf Friedmans Frage, ob der christliche Gedanke von Himmel und Hölle Sterbenden nicht Angst machen könne. Dass das Gericht Gottes aber zur ewigen Hölle führe, daran glaube Schneider nicht. Durch Gottes Sohn, der vor Gott für uns eintrete, sei das Thema "ewiger Himmel oder ewige Hölle erledigt". Er glaube an einen Gott, "der uns am Ende in Liebe annehmen wird". Zwar könne sich Schneider nicht vorstellen, dass Verbrecher wie Hitler oder Stalin in einer bequemen Nähe zu Gott lebten, aber auch nicht, "dass sie auf einem Spieß brutzeln".
Über eine Stunde sprachen Friedman und Schneider in den Kammerspielen des Frankfurter Schauspiels über das Sterben. Der Auftritt war Teil der Reihe "Friedman im Gespräch", im Rahmen derer der Moderator schon Prominente wie den ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber oder den Juristen Udo di Fabio begrüßte.
"Fragen, wenn ich dem Herrn selbst gegenüberstehe"
Das Sterben sei Teil des Lebens, erklärte Schneider am Dienstag. Er selbst habe als Sterbebegleiter seine Eltern und seine Tochter Meike betreut, die im Alter von 22 Jahren an Krebs starb. "Die Begleitung während der Krankheit war toll, weil wir uns so nahe kamen", erinnerte er sich. Doch ihr Tod im Jahr 2005 habe ihn auch wütend gemacht. "Ich habe noch ein paar Fragen, wenn ich dem Herrn selbst gegenüberstehe", sagte er. Zweifel an Gott seien bei ihm dennoch nicht aufgekommen. "Ich wurde wirklich gehalten, sonst wäre ich versunken", erinnerte er sich.
Sterben und Tod seien häufig ein Tabuthema. Die Menschen seien sprachlos, wenn es um die letzten Dinge gehe. Deshalb lobte er die jüngste ARD-Themenwoche "Leben mit dem Tod". Nach wie vor ist für ihn die organisierte Sterbehilfe aber zumindest ein juristisches Tabu. "Ich bin bereit, beim Sterben zu helfen", sagte der erfahrene Sterbebegleiter, "aber nur im Sinne von Hand-Reichen, nicht so, dass diese Hand das Sterben bewirkt". "Das Leben ist mir geschenkt worden, ich habe mich nicht selber gemacht", begründete er seine Einstellung. Andere zum Sterben zu bringen, dürfe kein Geschäftsmodell werden. "Wenn wir sowas erlauben und organisieren, macht das etwas mit unserer Gesellschaft", sagte Schneider.
Ob es Sünde sei, wenn sich jemand mit Hilfe von Sterbehilfeorganisationen wie "Dignitas" das Leben nehme, wollte Friedman wissen. "Das soll Gott entscheiden", antwortete Schneider und forderte mehr Zurückhaltung von den Kirchen, wenn es um die Verurteilung Sterbewilliger gehe. In der persönlichen Vertrauensbeziehung zwischen zwei Menschen halte er Sterbehilfe für möglich, betonte aber: "Freiheit heißt nicht, dass ich tun und lassen kann, was ich will." Das Maß eines Lebens setze nicht der Mensch, es sei gesetzt und vorgegeben "von dem Gott, an den ich glaube". (pro)