Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland gibt ein Interview, mit dem keiner gerechnet hat. Nikolaus Schneider hat seine Kirche in Sachen Sterbehilfe überrumpelt - und ihre politische Position geschwächt. Ein Kommentar von Anna Lutz
Von PRO
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Nikolaus Schneider überrascht seine Kirche mit Zugeständnissen beim Thema Sterbehilfe
Der scheidende Kirchen-Chef will seine krebskranke Frau, wenn es hart auf hart kommt, zur Sterbehilfe begleiten. Das ist zunächst verständlich. Aus Liebe stünde er seiner Frau bei, auch auf diesem Weg, sagt Schneider in einem derzeit heiß diskutierten Interview des Magazins Stern. Er stellt weiter klar: „Aber ich würde alles versuchen, Anne für einen anderen Weg zu gewinnen.“ Nicht nur der Ratsvorsitzende selbst, auch die Evangelische Kirche als solche steht seit Jahren dafür ein, die organisierte Sterbehilfe nach Schweizer Vorbild in Deutschland nicht zu legalisieren. Deshalb hat der oberste Protestant in Deutschland seiner Kirche mit dem Doppelinterview in Stern und Zeit einen Bärendienst erwiesen.
„Soso, andere sollen weiter leiden, für die eigene Familie geht man gern den Sonderweg, ‚die Liebe ist entscheidend’. Sie trinken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser, das wußte (sic!) schon Heinrich Heine“, schreibt ein Kommentator unter der Onlinemeldung der Zeit zum Interview. Das mag man pietätlos finden, vor allem aber ist es nachvollziehbar. Man darf sich fragen, wie künftige öffentliche Äußerungen der EKD zum nach wie vor diskutierten Thema der organisierten Sterbehilfe – ein Gesetz dazu gibt es in Deutschland nämlich noch nicht, es soll aber kommen – von der Öffentlichkeit noch ernst genommen werden sollen. Erst Recht, wenn es, Gott verhüte, tatsächlich zu dem Gang in die Schweiz kommen sollte.
Alleingang der Schneiders
Am Mittwoch wurde schnell klar, dass Nikolaus Schneider den Inhalt der Interviews wohl nicht mit dem eigenen Haus abgestimmt hat. Stattdessen warnte die Kirche kurz vor Erscheinen Gliedkirchen, Synode und Rat in einem internen Schreiben vor: Man habe Respekt vor Schneiders persönlichem Umgang mit der aktuellen Lebenssituation. Die Kirche stehe dennoch weiterhin dazu, dass die Selbsttötung eines Menschen grundsätzlich abzulehnen sei, weil das Leben als Gabe Gottes verstanden werde. Dass eine solche Klarstellung nötig ist, zeigt, wie überrascht selbst die EKD vom Alleingang des Ehepaars Schneider gewesen sein muss. Dabei war es vor allem ein Alleingang von Anne Schneider, die das Thema von sich aus im Interview anspricht und ganz offensichtlich nicht mit ihrem Mann übereinstimmt.
Bis zum kommenden Jahr will der Deutsche Bundestag eine Gesetzesreform zum Thema Sterbehilfe anstoßen. Gesundheitsminister Gröhe will ein Verbot der geschäftsmäßiger Suizidbeihilfe. Diverse Lobbygruppen kritisieren das scharf. Jüngste Umfragen ergaben, dass zwei Drittel der Deutschen im Falle schwerer Krankheit Sterbehilfe in Betracht ziehen würden. SPD und Union sind sich bisher nicht einig beim Thema. So wünschten sich die Sozialdemokraten zuletzt eine erneute breite Debatte über den assistierten Suizid. Und auch aus der Opposition kamen kritische Stimmen. „Es reicht aber nicht, Sterbehilfe einfach zu verbieten“, war von der Chefin der Grünen-Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, zu hören. Auch sie will eine neue, breite Diskussion.
Bisher bildeten die Kirchen in Deutschland auch im Gespräch mit der Politik eine Mauer gegen die Legalisierung der Suizidbeihilfe durch Organisationen nach Schweizer Vorbild. Doch der Putz hat Risse bekommen. (pro)
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