Steinmeier fordert europäische Regeln für das Netz

Anonyme Hasskommentare, digitale Überwachung, Shitstorms: Seit Jahren stellt die Digitalisierung die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat nun europäische Regeln für die Digitalisierung gefordert.
Von Nicolai Franz
Freut sich auf die (digitale) Zukunft: Bundespräsident Steinmeier am Donnerstag auf dem Kirchentag

Frank-Walter Steinmeier hat sich im Hinblick auf die Digitalisierung für europäische Regeln ausgesprochen. Der Geist des Grundgesetzes müsse in die digitale Moderne übersetzt werden, sagte der Bundespräsident am Donnerstag auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund. Steinmeier plädierte für eine „Ethik der Freiheit“, die die Möglichkeiten der Digitalisierung nutze, aber die Freiheit des Einzelnen wahre.

Viel zu oft entstehe der Eindruck, es gebe nur die Wahl zwischen totaler Freiheit und totaler Überwachung: „Europa kann ein alternatives Angebot an eine Welt sein, die zunehmend glaubt, nur zwischen unbeschränktem Digitalkapitalismus nach dem amerikanischen Vorbild einerseits oder orwellianischer Staatsüberwachung in Chrina andererseits entscheiden zu können.“

Solche Spielregeln würden nur international funktionieren. Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass auch gemeinsam mit China und den USA eine Verständigung auf „digitale Minimalstandards“ möglich sein könnte. Vorbild seien medizinethische Regeln, die bereits in diesen Ländern gelten würden.

Das Digitale demokratisieren

Vor einigen Jahren seien manche Menschen der Meinung gewesen, die Digitalisierung müsse der Demokratie „auf die Sprünge helfen“. Das sei eine Umkehrung des Problems: „Wir müssen uns nicht um die Digitalisierung der Demokratie kümmern, sondern um die Demokratisierung des Digitalen.“

Als Beispiele nannte Steinmeier den Hass im Netz. „Vertrauen erodiert, wenn die Grenze zwischen dem Unsagbaren und dem Unsäglichen immer mehr verschwimmt“, wenn sich Häme über das Unglück Anderer ergieße und wenn „die Hater so laut und die Vernünftigen so leise sind“.

In Anlehnung an den Philosophen Imanuel Kant sagte der Bundespräsident: „Der technologische Fortschritt soll den Ausgang des Menschen aus der Unmündigkeit erleichtern und nicht etwa der freiwillige Einstieg in eine neue Unmündigkeit sein.“

„Mut, die Spielregeln zu unterbrechen“

Aktuell diene die Digitalisierung noch hauptsächlich den Interessen der Anbieter. Steinmeier forderte „Mut, die Spielregeln zu unterbrechen“. Polizei und Staatsanwaltschaften sollten so ausgestattet werden, dass sie „Hass und Hetze im Netz der vermeintlichen Anonymität entreißen und konsequent weiterverfolgen können“.

Angst vor der digitalen Zukunft habe er nicht: „Ich bin Frank-Walter Steinmeier, ich bin 63 Jahre alt, ich habe weiße Haare, und ich freue mich unglaublich auf die Zukunft.“

Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund treffen sich von Mittwoch bis Sonntag Protestanten, um ihren Glauben zu feiern. Unter den mehr als 2.000 Angeboten finden sich Vorträge, Workshops, Gottesdienste und Konzerte. Nach Veranstalterangaben haben sich 118.000 Menschen für den Kirchentag angemeldet.

Von: Nicolai Franz

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