Steinbrück: Auch im Journalismus gibt es ein Präkariat

Ein zunehmendes Präkariat im deutschen Journalismus hat der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück beklagt. Während der "4. Berliner Medienrede" meldete sich der SPD-Abgeordnete mit scharfer Kritik an der deutschen Medienbranche zu Wort.
Von PRO

Wann immer er den Deutschen Bundestag betrete, werde er von Reportern privater Nachrichtensender belagert, die oft selbst nur Volontäre oder Praktikanten seien. "Oder sie befinden sich in ausgesprochen prekären Arbeitsverhältnissen" und hätten von den Themen, über die sie berichteten, keine Ahnung, so Steinbrück. Die "4. Berliner Medienrede" fand am Montagabend in der Berliner Französischen Friedrichstadtkirche statt, Veranstalter waren der Medienbeauftragte der EKD, Markus Bräuer, das Gemeinschaftswerk Evangelischer Publizistik (GEP) und die Evangelische Akademie Berlin.

"Stimmungen schaffen"

Vielen Journalisten gehe es nicht mehr nur darum, Stimmungen zu beschreiben, sondern auch darum, Stimmungen zu schaffen, sagte der frühere Bundesfinanzminister weiter. In die deutsche Medienlandschaft sei nach dem Hauptstadtumzug von Parlament und Regierung eine "neue Geschwindigkeit hineingekommen", die auf Kosten der journalistischen Qualität gehe, diagnostizierte Steinbrück.

Viele Interviews würden nur noch geführt, weil Zeitungsmacher den Eindruck hätten, bestimmte Persönlichkeiten müssten einmal im Monat bei ihnen im Blatt erscheinen. "Diese Interviews dienen nicht mehr dem Diskurs und der Auseinandersetzung", sagte Steinbrück. "Sie werden nur noch geführt, damit es anschließend Agenturmeldungen gibt."

Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise seien die Medien dagegen im Großen und Ganzen  verantwortungsvoll umgegangen, sagte Steinbrück. Gefehlt habe allerdings ein aufklärerischer Journalismus, der den Bürgern die Hintergründe der Krise erkläre. "Viele Medienvertreter konnten sich nicht vorstellen, dass wir an manchen Wochenenden innerhalb von 36 Stunden weitreichende Entscheidungen fällen mussten", sagte Steinbrück. Auch habe es nach den Börsencrashes keine Selbstkritik gegeben. Doch wenn "das gesprochene Wort nicht mehr zählt, führt das zu einer Verarmung der politischen Rede in Deutschland", warnte der ehemalige Finanzminister.

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