Der Mars-Roboter „Perseverance“ (zu Deutsch „Ausdauer“) ist erfolgreich von der NASA auf unserem roten Nachbarplaneten abgesetzt worden. Erste Fotos und sogar Ton-Aufnahmen hat er bereits zur Erde übermittelt. Ein Ziel der NASA ist es erklärtermaßen, Marsgestein auf Biosignaturen untersuchen. Der Rover soll unter anderem Erkenntnisse über etwaiges Leben auf dem Mars gewinnen.
Was Leben auf dem Mars für den christlichen Glauben bedeuten würde, fragte Domradio Christian Weidemann vom Lehrstuhl für Philosophisch-Theologische Grenzfragen an der Ruhr-Universität Bochum. Entscheidend sei, ob das Leben auf dem Mars denselben Ursprung hätte wie das auf der Erde. Sollte das Leben denselben Ursprung haben, könnte dies etwa bedeuten, dass sich das Leben mit Meteoriten im Sonnensystem verteilt hat. „Wenn das der Fall wäre, würde das gar nichts bedeuten, philosophisch oder theologisch“, so Weidemann.
Anders sei das, wenn das Leben auf dem Mars einen anderen Ursprung hätte als das auf der Erde. „Dann könnte man nämlich ‚mit gewisser Unsicherheit‘ darauf schließen, dass Leben im Universum relativ weit verbreitet ist.“ Das wiederum würde darauf hinweisen, dass ein Schöpfergott offenbar wollte, dass Leben vielfältig und im Universum verteilt ist.
Theologisch interessante Fragen würde in jedem Fall intelligentes Leben aufwerfen, besonders beim Thema Sünde. „Es gibt wenig Grund anzunehmen, dass – wenn es anderes intelligentes Leben gibt – es sich dabei nicht auch um Sünder handelt. Und wenn es sich um Sünder handelt, dann ist dieses Leben auch erlösungsbedürftig. Dann haben wir das Problem, dass nach christlicher Vorstellung Jesus Christus für die gesamte ‚Welt‘ gestorben ist.“
Weidemann weist darauf hin, dass im Johannesevangelium davon die Rede ist, dass Jesus wörtlich den „Kosmos“ rettetet. Ist damit nur die Erde oder das ganze Universum gemeint? Weidemann sieht Analogien zur Entdeckung neuer Kontinente durch Seefahrer vor einigen hundert Jahren. Diese hätten zu einem „Heils-Universalismus“ geführt, also der Annahme, „dass die Götter nicht mehr lokal sind, sondern für die gesamte Welt zuständig sind“. Weidemann ist überzeugt, dass man in der Kirche dogmatische „Justierungen“ vornehmen müsste, sollte wirklich außerirdisches Leben gefunden werden.
Das Kreuz mit den Aliens
Auch der Theologe Hannes Bräutigam schrieb in seiner Doktorarbeit mit dem Titel „Das Kreuz mit den Aliens“, die Kernfrage drehe sich darum, wie außerirdische Intelligenz mit der Einmaligkeit der Menschwerdung Gottes, Tod und Auferstehung Jesu vereinbart werden könne. Wenn die Theologie die Anthropozentrik (also den Menschen als Mittelpunkt der Welt und des universalen Heilswillen Gottes) preisgeben würde, „so stünde das gesamte Christentum infrage“, schreibt Bräutigam.
„Nicht jedes Selbstverständnis des christlichen Glaubens ist mit außerirdischer Intelligenz vereinbar“, ist er überzeugt. Etwa dann nicht, wenn die Kreuzigung Jesu als einziger Erlösungsweg betrachtet werde. Entweder ist Jesus nicht mehr der einzige Heilsmittler, Erlöser und Retter Gottes, oder er oder jemand anderes erlöste auf andere Art auch die Marsianer und anderen Außerirdischen. Auch weitere Aspekte des biblischen Heilsplans Gottes würden auf anderen Planeten ihre Gültigkeit verlieren, etwa die Erbsünde durch Adam und Eva sowie der Tag des Gerichts in der Apokalypse.
Thorsten Dietz: Es wäre ein Schock
Wenn tatsächlich außerirdisches Leben nachgewiesen würde, könnte es für Christen ein großer Schock sein, sagte der Theologe Thorsten Dietz von der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg im September vergangenen Jahres gegenüber pro. „Es wäre nicht das erste Mal.“ So sei es schockierend für Christen gewesen, als sie nach der Entdeckung der Neuen Welt von Menschen in Nord- und Südamerika erfahren hätten, die mit dem Evangelium noch nicht in Kontakt gekommen seien.
Dietz weist darauf hin, dass sich schon der britische Literaturwissenschaftler und Autor C.S. Lewis in drei Science-Fiction-Romanen mit der Frage beschäftigt habe, wie man mit der Entdeckung außerirdischen Lebens umgehen könne. Der Roman „Perelandra“ etwa erzähle vom Leben auf der Venus. In den Erzählungen würden die Planeten unterschiedliche Wege gehen. Manche Geschöpfe darin seien „nie aus der Gemeinschaft mit Gott gefallen“, sie alle wollten aber den Schöpfer erkennen und ehren. „Mit C.S. Lewis glaube ich, dass wir in Jesus von Nazareth tatsächlich den Schöpfer des Universums anschauen können. Wie er sich andernorts offenbart, ist seine Sache“, so Dietz.
Von: Jörn Schumacher