„Stammwähler warten auf eine andere CDU“

Der frühere baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) kritisiert in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" den momentanen Kurs seiner Partei - er fordert mehr christliche Inhalte, eine klare Wirtschaftspolitik und eine stärkere Berücksichtigung konservativer Stammwähler. Die Partei dürfe das "C" nicht in ihrem Namen führen, ohne sich daran zu orientieren. 
Von PRO

"Das ‚C‘ steht für ‚christlich‘, und das muss man an Inhalten erkennen. Und an der Haltung der Politiker." Das sagte Erwin Teufel, der auch stellvertretender Parteivorsitzender war und Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Es sei zwar Sache der Kirche und nicht der Politik, Menschen zum Glauben zu bringen, und er bewerte niemanden danach, ob er gläubig sei oder Kirchenmitglied ist. "Aber ich glaube, dass wir mehr brauchen als eine Übereinstimmung über das Rechtsfahrgebot in der Straßenverkehrsordnung", so Teufel. "Was hält eine plurale Gesellschaft zusammen? Nicht eine Übereinstimmung im Glauben. Aber die Demokratie kann auch nicht verkürzt werden auf eine Technik der Mehrheitsfindung, sondern sie muss mit Inhalten überzeugen." Die Menschen bräuchten so etwas wie einen Kompass, sagte Teufel, und die CDU habe an Profil verloren, um ein solcher Kompass zu sein.

CDU muss zu Kernkompetenz zurückfinden

Weil ihn die Entwicklung seiner Partei sorge, wolle er seine Kritik öffentlich machen, so Teufel. "Inzwischen habe ich das Gefühl, der Union ist mehr gedient, wenn man den Mund aufmacht, als wenn fast alle schweigen." "Die Stammwähler der CDU", erklärt er, "können nicht mehr sagen, worin die Alleinvertretungsmerkmale der CDU liegen, wo ihre Kernkompetenzen sind, wo ihr Profil ist. Über Jahre und Jahrzehnte konnten sie das." Darin sieht Teufel einen der Gründe, warum die Partei ihr Wählerpotential nicht voll ausschöpfen könne. Viele würden in der Wahlenthaltung parken und auf eine "andere CDU" warten.

Ihre schlechten Wahlergebnisse dürfe die CDU nicht mit "allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen" weg vom Konservatismus entschuldigen. Vielmehr müsse sie ihre Inhalte klarer kommunizieren, statt eine "reine Fachsprache" zu sprechen, die außer einem Fachpublikum kein Mensch mehr verstehe. Um Volkspartei zu bleiben, brauche die Union mehr "Leute mit Bodenhaftung, die wissen, wo die Menschen der Schuh drückt und wo das tägliche Brot herkommt".

Der CDU fehle es außerdem an einem wirtschaftspolitischen Gesicht, das sie dringend brauche. Das geringe Vertrauen der Bürger in die Europapolitik erklärt Teufel damit, dass die Staats- und Regierungschefs "über Nacht wesentliche Stabilitätskriterien" und Verträge über Bord geworfen, also geltendes Recht gebrochen hätten. Die Zusammenhänge der Euro- und Finanzkrise seien für die Bürger nicht durchschaubar. Den Verantwortlichen empfiehlt er: "Sie sollten so schnell wie möglich wieder zu den vereinbarten Stabilitätskriterien und zur Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank zurückkehren."

"Christliche Werte noch immer mehrheitsfähig"

Neben dem Gespräch mit Erwin Teufel druckt die FAS auch eine überarbeitete Version seiner "Berliner Rede über das C", mit der er unlängst vor der Senioren-Union für Aufsehen gesorgt hatte, ab. Darin legte Teufel konkret dar, wie die CDU seiner Ansicht nach eine Millionen Wählerstimmen wiedergewinnen kann, die ihr bei der letzten Wahl verlorengegangen sind. Neben einer Steuerstrukturreform nach Vorschlägen von Paul Kirchhof gehöre vor allem eine christlich orientierte Wertepolitik dazu: "Die Hauptgruppe unserer Wähler und unserer potentiellen Wähler sind nach wie vor Menschen, für die christliche Werte in der Erziehung, in der Familie, im Beruf, in der Politik wichtig sind."

Die früheren Stammwähler der Unionsparteien bekämen heute aus der Partei zu hören, dass sie zu einer Randgruppe gehörten, die nicht länger mehrheitsfähig sei. "Die Union bleibt nur mehrheitsfähig, wenn sie für Christen, für Konservative, für Liberale und für suchende und offene junge Menschen wählbar bleibt", hält Teufel dagegen. Die CDU/CSU habe ein viel größeres Wählerpotential, als sie derzeit bei Wahlen realisieren könne und müsse sich auf das besinnen, was sie zur erfolgreichen Volkspartei gemacht habe. "Es ist die europäische Einigung, das Bündnis mit den Vereinigten Staaten, der ‚Weg nach Westen’", so Teufel. "Es war der unbedingte Vorrang der Freiheitsrechte und der Grundrechte der Menschen und ihrer Würde als Geschöpf Gottes. Es war die Werteordnung der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre."

Dabei sei die CDU kein "verlängerter Arm der Kirchen". "Wir bejahen aus Überzeugung die Trennung von Kirche und Staat, weil beide ganz unterschiedliche Aufgaben haben", erklärte Teufel, "aber wir sind für eine gute Zusammenarbeit mit den Kirchen in allen Bereichen, in denen es für die Menschen gut ist."

Für die zukünftige Rolle des "C" in seiner Partei sieht Erwin Teufel zwei Optionen. "Die CDU kann sich in Zukunft am ‚C‘ orientieren, oder sie kann das ‚C‘ aufgeben, aber es gibt keinen dritten Weg. Sie darf nicht das ‚C‘ im Schilde führen, wenn sie sich nicht an ihm orientiert." (pro)

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