Das Forscherteam um den Kölner Spielpädagogen Jürgen Fritz analysiert
unter anderem Computerspiele verschiedener Genres daraufhin, ob sie
Kompetenzen der Spieler fördern können. Dabei arbeiten sie heraus, dass
insbesondere komplexe Spiele hohe Anforderungen an den Nutzer stellen.
So muss er beispielsweise bei dem Shooter "Counterstrike", in dem er
sich mit Terroristen oder Polizei-Spezialeinheiten duelliert, schnell
reagieren, Auge und Hand koordinieren und taktische Entscheidungen
treffen, um das virtuelle Überleben zu sichern. Bei Online-Rollenspielen
wie "World of Warcraft" tritt eine Gruppe von Spielern über das
Internet gegen andere an. Hier sind also auch Teamgeist und
kommunikative Kompetenz gefragt, weil die Spieler sich absprechen und
gemeinsam strategisch vorgehen müssen. Außerdem gilt es, Stress und bei
Misserfolgen Frustration zu bewältigen. Insofern verlangen diese
technisch anspruchsvollen Spiele vom Spieler viele Fertigkeiten und
haben dadurch nach Ansicht der Forscher das Potential, diese
entsprechend zu fördern. Eine Aussage über die Qualität der Spiele
leiten sie daraus allerdings nicht ab.
Es ist für die Wissenschaftler jedoch fraglich, ob die Kompetenzen, die bei Computerspielen erlernt und trainiert werden, auf die reale Welt übertragbar und den Spielern bewusst sind. Sowohl die befragten Computerspieler als auch die Beratungsexperten äußern sich dahingehend skeptisch. Spieler, die wegen ihrer problematischen Nutzung betreut werden, gehörten meist zu den besten in einem Spiel, hätten Planungs- und Organisationstalent, eine schnelle Auffassungsgabe und führten oft eine Gruppe anderer Spieler im Internet an. Gerade die soziale Kompetenz bliebe aber in der Regel auf die Spielwelt beschränkt. Es gelänge kaum, diese auf das Alltagsleben zu übertragen: "Das sind zwei andere Leben", wird einer der befragten Experten zitiert. Häufig seien die Klienten kontaktscheu, sozial wenig eingebettet und eher ängstlich.
Riskantes Motiv: Soziale Beziehungen
Für eine problematische Nutzung von Computerspielen, die zu einer Abhängigkeit führt, identifizieren die Wissenschaftler verschiedene Risikofaktoren. So können ein unstrukturierter Alltag mit geringen Leistungsanforderungen, negativ wahrgenommene Lebenssituationen wie zerbrochene Beziehungen, ein verlorener Arbeitsplatz oder eine Krankheit, aber auch fehlende soziale Bindungen zu besonders ausgedehntem Spielen führen. Daneben haben die Spiele selbst eine spezifische Bindungswirkung, um für die Nutzer längerfristig interessant zu bleiben. Besonders die soziale Komponente gewinnt nach Beobachtung der Forscher an Bedeutung. Vor allem in Online-Gruppenspielen werden virtuelle Kontakte aufgebaut, in denen sich die Teilnehmer auch über das Spiel hinaus persönlich austauschen. Gleichzeitig wird der Einzelne für das Team, die Trainings und Turniere verpflichtet und somit an das Spiel gebunden. Das knüpft an die Motivation der Spieler an: Das zentrale Motiv, Computer zu spielen, sei der Wunsch nach realen Beziehungen, Anerkennung, Freundschaften und sozialem Austausch.
Bewusstes Spielen beugt Sucht vor
Die Studie kommt zum Ergebnis, dass Computerspiele für den ganz überwiegenden Teil der Nutzer weder schädlich noch nützlich im Sinne von Lerneffekten sind. Nur etwa 0,9 Prozent der Spieler gelten demzufolge als gefährdet, 0,5 Prozent als abhängig. Bei Jugendlichen ist dieser Anteil etwas höher. Der Grat zwischen intensivem und problematischem exzessivem Computerspielen sei jedoch schmal. Die Wissenschaftler empfehlen Lehrern, Eltern oder Erziehern, sich über Computerspiele zu informieren und sie selbst auszuprobieren, damit sie die Sichtweise der Jugendlichen besser verstehen können. Es sei auch hilfreich, zeitliche Prioritäten zu setzen oder auch alternative Freizeitangebote zu schaffen, die das Selbstwertgefühl und die Persönlichkeit stärken. Außerdem sollten sie Computerspieler darin fördern, die Potentiale der Spiele gezielt zu nutzen, aber sich auch deren Sogwirkungen und das eigene Spielverhalten bewusst zu machen. "Eine kompetente Nutzung setzt voraus, dass der Spieler diese Mechanismen kennt und im Hinblick auf sich selbst und seine eigene Nutzung reflektiert und dadurch in die Lage versetzt wird, seine Computerspielnutzung selbstbestimmt zu gestalten", so die Autoren der Studie. Das heiße auch, sich den Spielanforderungen nicht einfach unterzuordnen, sondern abzuwägen, wann und wie man am Computer spielt. Der Selbstzweck des Spielens sollte dabei die Ausschlag gebende Motivation zum Spielen sein. So könne einer problematischen Nutzung im Sinne eines Kontrollverlustes über das eigene Spielen vorgebeugt werden.
Die Studie "Kompetenzen und exzessive Nutzung bei Computerspielern: Gefordert, gefördert, gefährdet" von Jürgen Fritz, Claudia Lampert, Jan-Hinrik Schmidt und Tanja Witting ist im Frühjahr 2011 als Band 66 der Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) im Vistas-Verlag erschienen.