Soweit die Spenden fließen

Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Da wundert es nicht, dass gleich zwei große Wirtschaftsmagazine die deutsche Spendenpraxis unter die Lupe genommen haben. Das Magazin "Capital" hat in seiner aktuellen Ausgabe einen Spenden-Kompass mit den 50 wichtigsten Spendenunternehmen erstellt und diese auf Transparenz getestet. Die "Wirtschaftswoche" übt in einem Beitrag heftige Kritik an "Caritas" und "Diakonie", die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit agieren würden.
Von PRO

Wie "Capital" schreibt, buhlen 20.000 Organisationen in Deutschland um 4,5 Milliarden Euro Spendengeld, das Deutsche für Naturschutz, Menschenrechte oder gegen den Hunger in der Welt spendeten. Etwa die Hälfte der untersuchten Institutionen lege Details zu den Zwecken offen. Andere, betont "Capital"-Autor Matthias Thieme, würden wesentliche Informationen zurückhalten, oder deren Belege seien unvollständig. Als transparenteste Organisationen kürte "Capital" "Plan International Deutschland", das "Deutsche Komitee für Unicef" sowie "World Vision Deutschland".

Mehr Kontrolle der Finanzämter

Das Kinderhilfswerk "Unicef" – ein Organ der Vereinten Nationen – geriet 2008 in die Schlagzeilen, als ihr damaliger Chef überhöhte Provisionen für Spendensammler verschleierte. Das "Capital"-Ergebnis zeigt, dass sich "Unicef" von diesem Skandal erholt hat. Der finanzpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Gerhard Schick, fordert vom Gesetzgeber klare und transparente Regeln sowie eine stärkere Kontrolle durch die Finanzämter.

"Capital"-Redakteur Thieme schreibt, dass mangelnde Transparenz nicht nur Kriminalität erleichtere, sondern auch die Inkompetenz von Helfern fördere, "die mit bester Absicht zu Werke gehen". Anstatt die Not zu lindern, werde die Korruption in den Einsatzländern gefördert. Immer wieder passierten absurde Sachen, weil sich etwa Organisationen vor Ort gegenseitig behinderten. Mit Hilfe von Grafiken zeigt der "Capital"-Beitrag, was ein im Tschad aktives Hilfsprojekt kostet und was der Geldgeber mit dem Geld erreicht.

Im Schnitt 14 Prozent für Werbung und Verwaltung

Durchschnittlich 14 Prozent ihrer Einnahmen gäben die Organisationen für Werbung und Verwaltung aus. Neben einer niedrigen Verwaltungskostenquote wünschten sich viele Spender, Nachvollziehbarkeit wohin ihre Gelder fließen. Dabei nehme der Sektor der Spenden über das Internet zu. Plattformen wie "Betterplace" veränderten die Branche und führten zur "Digitalisierung des sozialen Sektors". Abschließend gibt der Beitrag noch fünf Tipps, wie Leser richtig spenden können. Es komme darauf an, sich Zeit zu nehmen, dringlichen Aufrufen zu misstrauen, sich gründlich zu informieren, Geld- statt Sachspenden durchzuführen und ohne Zweckbindung zu spenden.

Im Auftrag von "Capital" haben die zwei unabhängigen Analysehäuser "Phineo" und "Tetralog Systems" Ziele, Projekte sowie deren Wirkung erfragt. Sie werteten die Geschäftsberichte, Bilanzen und Organigramme der 50 Unternehmen aus und machten verdeckte Tests. Anhand der Internetseiten der Organisationen wurde überprüft, ob dort konkrete Ziele und Wirkungen der Mittelvergabe erklärt werden. Weitere Faktoren für die Gesamtbewertung waren Verfügbarkeit und Aufbereitung, die Schlüssigkeit der Bilanzen und ob es eine Trennung von operativen und Aufsichtsratsstrukturen gibt. Die Analysehäuser haben anonym als angebliche Spender bei den einzelnen Häusern angerufen und die Geschwindigkeit der Antworten und deren Qualität bewertet. In die Bewertung flossen Qualität von "Information" und "Service" sowie die Transparenz von "Zielen", Aktivitäten" und "Wirkung" ein.

"World Vision" auf Rang zwei

"Plan International Deutschland" (4,8), das "Deutsche Komitee für Unicef" (4,6) und "World Vision Deutschland" (4,6) erreichten die höchste Punktzahl – bei fünf maximal möglichen Punkten. 22 Organisationen informierten gut über ihre Spendenpraxis. Dazu gehören das katholische Hilfswerk "Misereor", "Brot für die Welt" und "Geschenke der Hoffnung". 16 Organisationen, zu denen die "v. Bodelschwingschen Stiftungen in Bethel", der "Deutsche Caritas-Verband" und die "Missionszentrale der Franziskaner" liegen im Mittelfeld. "Kirche in Not" und die "Bibel TV Stiftung" rangieren mit der Note ungenügend auf den hinteren Plätzen. Schlusslichter sind "Bild hilft" und die RTL-Stiftung "Wir helfen Kindern". "Capital" bilanziert, dass die Spitzengruppe den Spendern transparente Informationen über Tätigkeit, Mittelverwendung und Wikrung biete. Die Schlusslichter sammelten zwar oft hohe Beträge, es fehlten aber sytematische Angaben zur Mittelverwendung und den Bilanzen.

Frohe Botschaft verkünden und zu Vorwürfen stillhalten

Auch die "Wirtschaftswoche" nimmt in einem aktuellen Beitrag die Spendenpraxis von "Diakonie" und "Caritas" unter die Lupe. Unter dem "Deckmantel der Gemeinnützigkeit" würden sie sich selbst immer neue Aufgaben erfinden, um dafür staatliche Mitteln zu erhalten. Hans-Georg Liegener, Leiter der "Caritas" in Krefeld, bezeichnet die Nothilfe als "eines der obersten christlichen Prinzipien". Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf sagt dagegen, dass die Wohlfahrtsverbände erst die Krisenphänomene erfänden, "um dann die Leistungen zu ihrer Lösung anzubieten". Er hatte mit dem Buch "Kirchendämmerung" vergangenes Jahr dieses Thema kritisch beleuchtet (pro berichtete).

Auf evangelischer Seite bricht Adolf-Leopold Krebs, Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer Diakonie, eine Lanze für die Wohlfahrtsverbände. Diese zeichne der viel direktere Draht "zu den Sorgen der Menschen aus als ihn die Politik" habe, sagte er der "Wirtschaftswoche". Zu seinem Verband, der wie ein Unternehmen aufgebaut sei, gehörten ganz unterschiedlich aufgestellte lokale Organisationen, von der Schulsozialarbeit über die Raucherentwöhnung bis zum Catering. Die "Wirtschaftswoche" zeigt auf, dass die Wohlfahrtsverbände heute kaum noch etwas mit dem kirchlichen Kerngeschäft zu tun hätten. Der Kirchensteueranteil liegt bei fünf Prozent, der Rest stamme aus Spenden und staatlichen Zuwendungen.

Staat profitiert von Wohlfahrtsverbänden



Der Staat profitiere von den Wohlfahrtsverbänden, weil er dessen Aufgaben dann nicht übernehmen müsse. Darüber hinaus könnten "Diakonie" und "Caritas" auf eine Vielzahl von Ehrenamtlichen und Spenden bauen. Die "Wirtschaftswoche" kritisiert, dass beide Organisationen genau an den Stellen säßen, an denen die "Mittelvergabe" in ihrem Sinn geregelt werde. Als ein Beispiel nennt der Artikel den Grünen-Politiker Jens Petring. Er entscheide im Jugendhilfeausschuss über die Mittel, von denen er dann als Geschäftsführer des Kinder- und Jugendhilfeverbunds Rheinland profitiere.

Gegen den politischen Einfluss von "Caritas" und "Diakonie" hätten es freie Unternehmer schwer, meint der Theologe Graf in der "Wirtschaftswoche". Der Artikel wirft "Caritas" und "Diakonie" vor, dass sie innere Angelegenheiten nach Kirchenrecht regeln können. Die Wohlfahrtsverbände dürften jenen fristlos kündigen, die gegen ihre Moralvorstellungen handelten. Rabiat gingen sie bei Scheidungen, dem Kirchenaustritt oder unehelichen Kindern vor. Oft gehe dabei Profitabilität vor Nächstenliebe.

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb, widersprach im Gespräch mit pro dem Münchener Theologen. Es sei nicht nur das gute Recht kirchlicher Werke und Verbände, auch auf die innere Übereinstimmung ihrer Mitarbeiter mit den Grundauffassungen der Kirchen zu sehen, sondern geradezu ihre Pflicht, "sowohl von Ihrem Auftrag her als auch im Sinne der Spender, die das gerade von diesen Werken erwarten" würden. Dies gälte selbstverständlich auch für die im Netzwerk der Deutschen Evangelischen Allianz arbeitenden circa 350 freien Werke und Verbände, die meist ohne Kirchensteuermitteln und bis zu 100 Prozent aus Spenden finanziert ihre Arbeit machten. Solche "Selbshilfegruppen" könnten auch das Spendenprüfzertifikat der Deutschen Evangelischen Allianz beantragen, das ihnen gegebenenfalls durch ein unabhängiges Prüfergremium zuerkannt würde. (pro)

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