Sonntagsruhe für Supermärkte – selbst wenn dort niemand arbeitet

„Tegut“ darf seinen Mini-Supermarkt in Fulda an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen – obwohl der Einkauf voll digital abläuft und niemand dort arbeitet. Das Verwaltungsgericht Hessen nennt dafür eine Begründung, die an die Bibel erinnert.
Von Nicolai Franz

Ein Supermarkt, der rund um die Uhr geöffnet hat – auch an Sonn- und Feiertagen: So etwas gibt es nicht nur im Ausland, sondern auch in Deutschland. „Teo“ heißen die Filialen der Supermarktkette „Tegut“.

Das Besondere an den Läden ist neben ihren Öffnungszeiten, dass sie weitgehend ohne Personal auskommen. Denn alles funktioniert dort digital: Wer die digitale Einlasskontrolle bestanden hat, kann sich aus etwa 900 Artikeln einen Einkauf zusammenstellen und ebenfalls digital bezahlen.

Eine ideale Lösung für Menschen, die auch an Sonn- und Feiertagen das Nötigste kaufen wollten, sollte man meinen. Doch der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) machte Tegut am 22. Dezember 2023 einen Strich durch die Rechnung – und veröffentlichte nun die Begründung dafür (Az. 8 B 77/22). An Sonn- und Feiertagen muss die Teo-Filiale in Fulda demnach geschlossen bleiben. Begründung: Paragraf 3 Absatz 2 des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes.

Zwar verzichtet Tegut auf Verkaufspersonal. Damit erreiche der Supermarkt auch die Vorgaben des Arbeitnehmerschutzes, so das Gericht. Allerdings sei der Schutz von Arbeitnehmern nicht das einzige Ziel des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes.

Darüber hinaus gaben die Richter nämlich ein weiteres Ziel an – das seine Wurzeln im biblischen Sabbatgebot hat. In der Bibel ist bei der Beachtung des Sabbats nicht nur davon die Rede, dass die Menschen nicht arbeiten sollen, sondern dass sie generell ruhen sollen. So wird der Sabbat in 2. Mose 31,5 auch als „heiliger Ruhetag des Herrn“ bezeichnet.

Kirchenallianz ist zufrieden

Dieses Ruhegebot scheint sich nach Überzeugung des VGH zumindest teilweise auch in der hessischen Gesetzgebung niederzuschlagen. Das Ladenöffnungsgesetz habe auch das Ziel, „die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu schützen“. Bedeutet: Nicht nur die Verkäuferinnen, Regaleinräumer und Filialleiter sollen ruhen, sondern auch die Kunden.

Die „Allianz für den freien Sonntag Hessen“ begrüßte laut Hessischem Rundfunk das Urteil. „Sonntagsschutz ist mehr als Arbeitsschutz für die von sonntäglichen Ladenöffnungen betroffenen Beschäftigten, sondern Erhalt eines wesentlichen Kulturgutes“, erklärte demnach Sprecher Bernard Schiederig. Zur Allianz für den freien Sonntag Hessen gehören die evangelische und katholische Kirche sowie die Gewerkschaft Verdi.

Dem Beschluss, der nicht anfechtbar ist, war ein langer Rechtsstreit zwischen der Stadt Fulda und Tegut vorangegangen.

 

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