Filmkritik

„Soldaten des Lichts“: Kräuter-Drinks, Reptilien-Menschen und Ausbeutung

Beim „Königreich Deutschland“ geht es nicht nur um politische Spinnerei. Die Weltsicht der „Reichsbürger“ ist eng verwoben mit Esoterik und Pseudo-Religion. Darüber informiert die sehenswerte Dokumentation „Soldaten des Lichts“ jetzt im Kino.
Von Jörn Schumacher

Er nennt sich „Dr. Raw“, ist aber kein Arzt. David Ekwe Ebobisse macht als Gesundheits-Influencer Videos über alternative Medizin und ist dabei eng verbunden mit Verschwörungsideologien und radikaler Esoterik. Außerdem gehört er zu den „Reichsbürgern“, die Deutschland als Staat nicht anerkennen. Im äußerst sehenswerten Dokumentarfilm „Soldaten des Lichts“ sind „Dr. Raw“, der „Reichsbürger-König“ Peter Fitzek und andere hartgesottene Esoteriker zu sehen. Einerseits lösen sie Mitleid aus, weil sie in einer Welt des Verschwörungsglaubens gefangen sind, die einem andererseits aber auch Angst machen, weil sie nach Macht und immer mehr Einfluss streben.

Der Regisseur Julian Vogel hat die Dokumentation, die seit Mitte August in einigen deutschen Kinos zu sehen ist, in Koproduktion mit dem ZDF für die Reihe „Das Kleine Fernsehspiel“ produziert. Journalistisch hält sich Vogel hier eher zurück – es gibt weder Texteinblendungen noch einen Sprecher im Off, der die gezeigten Personen vorstellen oder einordnen würde. Nur die Protagonisten sprechen, und die Kamera ist der stille Begleiter in dieser verschrobenen Welt, die Religion, Politik und Esoterik miteinander zu einem dunklen Brei der Lügen vermischt.

David, der sich „Dr. Raw“ nennt, macht Videos über Rohkost, betreibt ein Restaurant zu dieser Ernährungsweise und versucht, entsprechende Produkte zu verkaufen. Gleichzeitig gehört er zu einer „Gemeinschaft“, die Verbindungen zu den Reichsbürgern des selbsternannten „Königs“ Peter Fitzek hat. Die Mitglieder interessieren sich nicht nur für alternative Ernährung, sondern auch für alternative Politik und alternative Religion. Daher wirken sie streckenweise wie eine schlechte Karikatur von gläubigen Menschen, die zudem eine Revolution planen. Sie stellen sich im Kreis auf, fassen bei den Händen und sprechen Gebete zu „Kraft der inneren Göttlichkeit“.

In einer Diskussionsrunde geht es auch um konkrete Politik. „Die BRD GmbH darf keine Steuer verlangen!“, heißt es da, der Staat sei bloß eine Firma, der Personalausweis sei ein „Sklavenvertrag“. Diese „Firma“ (deren Betreiber aber nie genau genannt werden) betreibe Kindesmissbrauch, satanistische Rituale, „Adrenochrome“, das Trinken von Kinderblut und so weiter. Von der „Endzeit“ ist hier auch die Rede.

Eine schwer zu ertragende, aber wichtige Doku

David Ekwe-Ebobisse empfiehlt einem Menschen mit Krebs Wildkräuter und Tee. Die Dame übergibt sich, ihr geht es nicht gut. Ekwe-Ebobisses Antwort: Durchhalten! Jahre eines Medizinstudiums werden hier ersetzt durch ein Gefühl und die Überzeugung, die richtigen Behandlungsratschläge einfach aus dem Bauch heraus geben zu können.

Dieser Film ist schwer zu ertragen. Und genau deswegen so wichtig. Am schlimmsten ist es wohl, die Entwicklung des jungen Timo zu verfolgen, der in die Fänge dieser modernen Scharlatane geraten ist – während der Corona-Zeit auf den Demos, wie seine Eltern später herausfinden.

David nutzt den todkranken Timo als Arbeitstier für seine Kommune aus, gleichzeitig spielt er sich als sein Heiler auf. Doch Timo wird nicht geheilt, stattdessen baut er im Laufe des Films immer weiter ab. Gegen seine „Stimmen im Kopf“ und gegen den kranken Körper will David mit Kräuterextrakten und einem „Scan“ vorgehen, der genauso zufällig exakt so aussieht wie das „Auditing“ bei den Scientologen. Timo muss zwei Stäbe in die Hand nehmen, ein Laptop misst angeblich, wie es um Timo steht. David zeigt Timo Fotos von Würmern. „Die sind in deinem Darm, und zwar wegen der Fleischernährung. (…) Kannst dir vorstellen, wie es in deinem Geist aussieht.“

Mit dem „Scan“ kann David sehen, wie viele Würmer noch im Darm sind. Bezeichnenderweise hat Timo die Anweisung falsch verstanden und hält die farblich markierten Stäbe in den falschen Händen – das scheint Davids Messung aber nicht im Geringsten zu stören. „Wir sind auf einem guten Weg“, lautet wenig überraschend das Fazit von „Dr. Raw“. „Die Dunkelheit hat kaum eine Chance.“ Das Patientengespräch geht sodann nahtlos über in ein Angestellten-Gespräch. Timo arbeitet zu langsam, er könne froh sein, dass er in der Gemeinschaft Kost und Logis bekommt.

Dass eine Kamera dabei sein durfte, dieses verabscheuungswürdige Ausbeuten einer todkranken Person dokumentieren zu können, ist als aufklärerisches Zeugnis Gold wert. Der Zuschauer kann dabei zusehen, wie ein Mensch langsam aber sicher ausgebeutet und vernichtet wird – im Dienste einer selbstgebastelten Religion und eines Influencer-Ruhms. In einem Social Media-Video behauptet David dann noch, ein Kind mit Down-Syndrom „zu einem normalen Kind“ gemacht zu haben.

Geistheiler und das dunkle Königreich des gewaltsamen Aufstands

Erschütternd sind ebenso die Treffen mit dem „Geistheiler Sananda“. Der redet von der „geistigen Welt“ und von Sünde an den Tieren und der daraus folgenden „Reinigung der Erde“. Auf der Erde lebten „künstliche Wesen“, die echten Menschen liegen momentan bei 13 Prozent. David, gläubiger Anhänger, reagiert auf die völlig abstrusen Äußerungen Sanandas so fasziniert wie auf einen Freund, der vom letzten Urlaub erzählt. „Die Guten werden die Endzeit überleben“, sagt Sananda. Dann verlangt er die Entfernung der Putzfrau aus der Wohnung. „Das war ein Repto.“ David: „Ah!“

Auch beim „Königreich“ Peter Fitzeks war Filmemacher Vogel zu Gast. „Dr. Raw“ steht in engem Kontakt zu ihm. Sein Reich werde von ersten Staaten im Grunde bald anerkannt, behauptet „Peter I, König von Deutschland“ oder auch „Peter Menschensohn“, auch er sei übrigens ein Wunderheiler. „Wir haben durch die Verbindung mit der Geisterwelt Gottes eine klare Ansage gekriegt, was wir tun sollten“, sagt er im selben Atemzug mit „Wir sind die Wahrheit“. Eine Möglichkeit, gegen ein Gewaltmonopol vorzugehen, sei Gegengewalt, so Fitzek. „Es muss alles vorbereitet werden. Es muss alles die richtige Zeit sein. Das geht noch nicht.“ Aber: Fitzek: „Die dunkle Seite hat Angst vor uns.“

Als sei das alles noch nicht krass genug, muss David natürlich noch die Königin der schwachsinnigen Verschwörungstheorien feiern: Die Erde ist eine flache Scheibe. „Eine Erde als Kugel hat mit einem Schöpfer nichts zu tun.“

Vogels Dokumentation tut weh. Doch sie weckt auch enormes Mitleid für die Protagonisten. Diese Menschen, die durch die staatliche Anordnung im Kampf gegen das Coronavirus zutiefst verwirrt sind, sind geistlich heimatlos. Auf der Suche nach Freiheit verstricken sie sich in den Fängen eines Ernährungs-Esoterik-Königreichs, das sie nur noch mehr in Unfreiheit bringt. An einer Stelle gibt David offen zu, wie man so leben kann: Man erschafft sich seine eigene Realität und erklärt alle anderen zu Lügnern, ganz einfach. An anderer Stelle sagt er, früher habe er Bücher gelesen, jetzt „mache“ er alles „über Telegram“. Die Lüge wird so zur eigenen Wahrheit. Das „Königreich“ nimmt sich Versatzstücke aus Religionen und braut daraus einen Brei der Lüge. Damit werden Menschen manipuliert und dann für die eigenen Zwecke ausgenutzt.

Wertvoll ist Vogels Dokumentation „Soldaten des Lichts“ vor allem deshalb, weil er die tiefe Verstrickung dieser modernen Scharlatanerie mit politischen Ambitionen und religiösen Verlockungen offenlegt.

„Soldaten des Lichts“, Dokumentation, 108 Minuten, Regie: Julian Vogel, seit 14. August 2025 im Kino, ab 16 Jahren

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