Nimmt uns bitte jemand die Handys weg?!
Die Geräte und ihre Apps sind natürlich ganz wunderbar. Sie sind Alleskönner, die uns das Leben in allen denkbaren Bereichen erleichtern. Aber ich fürchte, wir sind damit eigentlich überfordert. Vor allem mit den Funktionen, die uns das Gefühl geben, an der Welt und am Leben anderer Anteil zu haben – soziale Medien, Kommunikationskanäle. Obschon wir jahrelang damit zu tun haben, lassen wir uns und unsere Zeit doch allzu oft von diesen Toren zur Welt absorbieren, womöglich ohne wirklich zielgerichtet hindurchzugehen. Wie oft nutzen wir das Handy mehr zur Ablenkung und Zerstreuung als mit einer konkreten Absicht?
Das mag sehr pauschal klingen. Ist es auch. Aber es ist zwingend nötig, den eigenen Umgang mit den Geräten zu überprüfen und zu reflektieren. Denn nur so können Erwachsene Kinder und Jugendliche dazu anleiten, Smartphones sinnvoll zu nutzen, ohne sich von ihnen aufsaugen zu lassen.
Kürzlich hat die Studie „Kindheit, Internet, Medien“ ermittelt, dass schon Grundschulkinder auf Social-Media-Plattformen wie „Tiktok“ und „Instagram“ unterwegs sind. Von den Zehn- bis Elfjährigen hat sogar fast jeder zweite einen „Tiktok“-Zugang – obwohl diese Plattformen offiziell erst ab 13 Jahren sind. Doch mehr als die Angabe des Geburtsdatums ist nicht nötig, um sich ein Profil anzulegen.
Social-Media-Verbot reicht nicht aus
Wer sich als Erwachsener schon einmal darin verloren hat, durch Kurzvideos zu scrollen und über Bilder zu wischen, kann sich vorstellen, wie schwer es für Kinder und Jugendliche sein muss, aus diesem Sog wieder herauszukommen. Ganz abgesehen davon können Kinder und Jugendliche, die noch mitten in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung stecken, ungefiltert mit Inhalten konfrontiert werden, die ihnen schlichtweg schaden oder sie verstören. Seien es Köperideale, Mutproben, Mobbing, sexuelle Inhalte, Gewalt oder menschenverachtende Ideologien. Welche Folgen das haben kann, zeigt die britische Erfolgsserie „Adolescence“.
Australien hat Social-Media-Plattformen per Gesetz für Unter-16-Jährige verboten. Das heißt: Die Betreiber der Plattformen müssen die Alterskontrolle strikt umsetzen, sonst droht eine Strafe in Millionenhöhe. Es ist gut, dass Ähnliches auch in der EU und in Deutschland diskutiert wird – und hoffentlich auf den Weg gebracht wird. Doch man darf sich keine Illusionen machen: Wer will, wird Wege finden, auch Verbote zu umgehen. Und zugleich dürfen sich Erwachsene, insbesondere Eltern, nicht auf die Position zurückziehen, dass der Staat das schon regelt. Eltern sollten ihre Kinder anleiten, Handys und Apps zu nutzen, Bildschirmzeiten und Filter festlegen, über Inhalte sprechen.
Dazu gehört es, auch selbst ein Vorbild zu sein. Im Mai hat eine Studie für Schlagzeilen gesorgt, die einen Zusammenhang feststellte zwischen der Handynutzung von Eltern und der Entwicklung ihrer Kinder – und der war nicht positiv. Erwachsene müssen also selbst lernen, verantwortungsvoll mit den technischen Geräten umzugehen, um der Kinder und ihrer selbst willen. Doch vielleicht sollte uns ab und zu jemand das Handy wegnehmen, damit das gelingt.