So reagiert die Netzgemeinde auf Gebet für Kurz

Für den ehemaligen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz betete ein evangelikaler Prediger bei der ökumenischen Veranstaltung „Awakening Europe“. In den Sozialen Medien wird mit dem Video vom Auftritt kokettiert, Politik-Vertreter sprechen von Vereinnahmung.
Von PRO
Der evangelikale Prediger Ben Fitzgerald sprach für den ÖVP-Chef Sebastian Kurz ein Segensgebet, das im Nachgang viel Aufmerksamkeit erregte

Bei dem evangelikalen, ökumenischen Großevent „Awakening Europe“ am vorigen Wochenende in Wien trat der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz als Überraschungsgast auf. Doch auch der Politiker wurde bei der Veranstaltung selbst durch ein Gebet für sich überrascht, wie er laut Kleine Zeitung sagt: „Ich wusste davon nichts.“

Der australische Prediger Ben Fitzgerald sprach für den ÖVP-Chef auf der Konferenz ein Segensgebet und forderte die 10.000 „Awakening Europe“-Teilnehmer aus mehr als 40 Ländern auf, ihre Hände in die Luft zu strecken und mitzubeten. Der Prediger, der früher Drogendealer war, dann aber Christ wurde, sagte: „Vater, wir danken dir so sehr für diesen Mann, für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. […] Wir beten und danken dir, dass Gerechtigkeit eine Nation aufrichtet. […] Wir beten, dass du ihm gerechte Führung gibst, riesige Weisheit und viel Schutz.“ Während des Gebets wirkt Kurz fast wie versteinert. Nach einem intensiven Applaus der Menge bedankte er sich wieder deutlich gelöster: „Es ist wirklich ein beeindruckendes Bild, so viele Christen aus 45 verschiedenen Ländern hier von der Bühne sehen zu dürfen.“ Am Montag sagte er in einer Pressekonferenz: „Wer das Video sieht, sieht mir vielleicht an, dass ich etwas überrascht und starr reagiert habe für meine Verhältnisse.“ Den evangelikalen Prediger habe er vorher nicht gekannt und das Gebet sei nicht abgesprochen gewesen.

Zahlreiche Medien in Österreich, aber auch in Deutschland berichteten über das Gebet von Fitzgerald für Kurz. Das Video, das die Szene zeigt, erregt unter dem Hashtag #BetenfürKurz zudem viel Aufmerksamkeit in den Sozialen Medien – vielleicht auch, weil die Art des Betens manchem Betrachter unbekannt oder ungewöhlich vorkommt.

Der Comedian Jan Böhmermann, der mit seinem „Schmähgedicht“ 2016 den türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan in die Mangel nahm, distanzierte sich in einer für ihn typischen Art vom Segensgebet. Er „habe mit diesem Video nichts zu tun“, schreibt er auf Twitter. Böhmermann hat in der Vergangenheit mehrfach Clips fingiert, etwa ein Video, in dem der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis angeblich Deutschland den Stinkefinger zeigt. Das Video hatte der Entertainer laut eigenen Angaben gefälscht.

Für manche gleicht das Gebet für den ÖVP-Politiker einer Heiligenverehrung. Und so taucht in der Netzdiskussion wieder ein Foto einer Statue im Wandschmuck der Kapelle von Fort la Latte in der Bretagne auf. Man kann beim Gesicht der Statue eine gewisse Ähnlichkeit zu Kurz ausmachen. Bereits vergangenes Jahr erfreute sich die Internetgemeinde an dem sakralen Kunstobjekt, weiß Der Standard zu berichten.

Ein anderer Twitternutzer kokettiert mit einem Allmachtsanspruch von Kurz und zeigt eine Art Wahlplakat mit den Worten: „Du sollst keinen Bundeskanzler haben neben mir!“

„Kirche soll sich vor keinen parteipolitischen Karren spannen lassen“

Die Direktorin der Diakonie Österreich und selbst Pfarrerin, Maria Katharina Moser, begrüßt allgemein Gebete für andere, sieht aber kritisch, dass das Gebet für Kurz als Wahlwerbung gesehen werden könnte. „Die Kirchen sollten sich hüten, sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei. Für andere beten ist gut – aber es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass das Gebet der Wahlwerbung dient, das wäre Missbrauch des Gebets,“ schreibt Moser auf Twitter.

Von Seiten der Kirche gab es zum Teil kritische Worte. Die Evangelischen Kirchen in Österreich seien nicht an dem Event beteiligt gewesen, erklärte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker laut Kleiner Zeitung. Es sei „selbstverständlich“, für alle Politiker zu beten, Religion dürfe aber nicht für politische Zwecke missbraucht werden.

Der ehemalige österreichische Politiker der Partei „NEOS – Das Neue Österreich und Liberales Forum“ Matthias Strolz kritisiert die Kirche und spricht von „Scheinheiligkeit“ und einer „Aufforderung zum Austritt“: „Als kritischer Katholik am Rande der Kirche hab ich gestern einen A****tritt bekommen. Weiß noch gar nicht, wie ich ihn nehmen soll. Scheinheiligkeit, Doppelbödigkeit, Naivität, verunfalltes Pop-Event oder Aufforderung zum Austritt.“

Die allgemeine Duktus der Reaktionen in den sozialen Netzwerken geht in zwei Richtungen: Während die einen eine Verehrung Kurz’ als eine Art Heiligen auf komödiantische Weise darstellen, sieht ein anderer Teil eine politische Einflussnahme der Organisatoren und viele Kommentierende empfinden den Auftritt und das Gebet als Wahlwerbung. Auch der Erzbischof von Wien, Kardinal Christoph Schönborn, nahm an der Veranstaltung teil.

„Christen beten immer für alle Politiker“

Der Pressesprecher von Schönborn, Michael Prüller, kann die Aufregung nicht ganz nachvollziehen. Er erklärte schließlich am Montag gegenüber der katholischen Presseagentur KathPress, dass der Auftritt des Geistlichen „auf keinen Fall als Wahlunterstützung für Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz missverstanden werden“ könne: „Christen beten immer für alle Politiker.“

Gegenüber der Austria Presse Agentur erklärte der linkspopulistische Jetzt-Abgeordnete Peter Pilz in einer schriftlichen Stellungnahme: Es sei „peinlich, wenn sich ein Altkanzler an fundamentalistische religiöse Sekten anbiedert und für sich beten lässt. Gefährlich wird es, wenn er den Religionskampf dieser Sekten unterstützt“.

Von: Martina Blatt

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