Skandal und Begeisterung wegen Gedicht in Live-Show

Für die einen wurde sie über Nacht zum Star, die anderen drohen ihr mit dem Tod. Vor laufender Kamera kritisierte Hissa Hilal islamische Kleriker. Die saudische Frau, die in ihrer Heimat für einen Skandal sorgte, könnte am kommenden Mittwoch eine Million Dirham (200.000 Euro) gewinnen.
Von PRO

Hissa Hilal hat es bis ins Finale der Poesieshow "Dichter für Millionen" in Saudi Arabien geschafft. In der TV-Sendung, die in der gesamten arabischen Welt ausgestrahlt wird, kritisierte Hilal vor etwa zehn Tagen islamische Prediger. Diese "sitzen auf ihren mächtigen Thronen, terrorisieren die Leute und wildern wie Wölfe unter den Menschen, die nur ihren Frieden suchen", hieß es
laut dem "Tagesspiegel" in ihrem 15-Zeiler. Das Erlaubte werde in das Unerlaubte verdreht, "böse in der Stimme, barbarisch im Denken, wütend und blind – gehüllt in den Tod als Gewand und zusammenschnürt von einem Gürtel".

Medienangaben zufolge wählten Jury und Publikum die vierfache Mutter aus Riad mit 47 von 50 Punkten ins Finale. Kann sie sich am 31. März gegen ihre vier männlichen Mitstreiter durchsetzen, winkt ihr ein Preis von einer Million Dirham, das sind umgerechnet rund 200.000 Euro. Nach Angaben des "Tagesspiegel" hatte Hilal mit ihrer islamkritischen Lyrik für heftige Diskussionen gesorgt.

Ihre Kritik richtet sich vor allem gegen den Einsatz von Fatwas in der arabischen Welt und deren Popularität unter Extremisten, so die Zeitung. Die Öffentlichkeit versteht ihre Kritik allerdings als einen direkten Angriff auf den erzkonservativen Scheich Abdulrahman bin Nasser al-Barak. Nach Angaben des "Tagesspiegel" hatte dieser in seiner jüngsten Fatwa die Exekution derer verlangt, die gegen die Geschlechtertrennung auftreten. Männer und Frauen, die nicht miteinander verheiratet sind, dürfen in Saudi-Arabien nicht miteinander ausgehen, Taxi fahren oder im Restaurant essen. Medienangaben zufolge ist die vorgeschriebene Geschlechtertrennung auch der Grund dafür, dass Frauen auf der Suche nach einem Arbeitsplatz extrem benachteiligt sind. Ihr Gedicht solle allen arabischen Frauen eine Stimme geben, sagte Halil, denn "sie wurden zum Schweigen gebracht von Leuten, die unsere Kultur und unsere Religion gekidnappt haben".

Die wöchentliche "Dichter für Millionen"- Show erreicht gerade durch die traditionelle Dichtkunst Millionen von Zuschauer. Die Show sei deswegen so beliebt, weil sie sowohl modern als auch traditionell sei, erklärte Lina Kathib, Expertin für arabische Medien an der Stanford University gegenüber der britischen Zeitung "The Independent". "Weil es Dichtung ist, eine der meist respektierten Ausdrucksformen in der arabischen Welt, können die Grenzen stärker ausgeweitet werden als mit moderner Musik."

Aufgrund der Morddrohungen habe ihre Familie sie aufgefordert, sich bei ihrer Lyrik auf "alltägliche" Themen zu beschränken, sagte Hilal gegenüber der englischsprachigen Tageszeitung "The National Newspaper" mit Sitz in Abu Dhabi. Sie wolle aber den Frieden für alle, Muslime und andere. "Wir leben alle in einem globalen Dorf, deswegen können wir nicht ohne einander leben", fügte sie hinzu. Extremisten seien schuld daran, dass Muslime weltweit nicht respektiert, sondern viel mehr mit Misstrauen konfrontiert seien. (pro)

Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen