Siegt die Dreistigkeit?

"Kristin ausser 9b is die gröZzzte SCHLAMPE der schule!" In den meisten Fällen gehen die Veröffentlichungen unter die Gürtellinie und meistens ist deren Wahrheitsgehalt eher niedrig. In einem Mobbingportal kann jeder Internetnutzer munter lästern und Gerüchte streuen. Das entsprechende Portal ist in das Blickfeld von Anti-Mobbing-Initiativen geraten und auch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Macher.
Von PRO

Die Methode ist einfach. Die Jugendlichen wählen sich eine Kategorie
aus, zu der ihr Eintrag passt und sobald sie etwas formuliert haben,
können sie es mit einem Klick für die Internet-Gemeinde publik machen.
Auf der Suche nach dem "geilsten arsch" oder dem "hübschesten /
hässlichsten Mädchen" der Schule ist dem Vokabular keine Grenzen
gesetzt. Die Experten sind vor allem von der Dreistigkeit, mit der hier
vorgegangen wird und die ihnen begegnet, entsetzt: "Etwas Vergleichbares
hat es im deutschen Internet bisher noch nicht gegeben", sagt Margit
Ricarda Rolf von der Mobbing-Zentrale in Hamburg gegenüber der
Tageszeitung "taz".
Die Einträge sind nach Bundesländern, Städten und Schulen geordnet und für jeden, auch Eltern, Lehrer und sogar spätere Arbeitgeber, nachlesbar. Sämtliche Beleidigungen und Gerüchte lassen sich über die Suchmaschine Google finden. Anfang Februar war die Seite abgeschaltet und ist in der Zwischenzeit auf einen anderen Server umgezogen. Oft sind die Namen der Geschädigten eindeutig zu identifizieren.

Den Schreibern der Nachrichten versprechen die Macher aber 100-prozentige Anonymität. Dort ist zu lesen: "Wir haben nie IPs gespeichert und wir werden NIE IPs speichern. Deswegen haben wir auch nie an irgendjemanden IPs ausgehändigt. Solche Anfragen beantworten wir nicht weil wir keine IPs speichern, egal ob ein Polizist, ein Lehrer/Direktor oder ein Anwalt anfragt."

Üble Nachrede, Beihilfe zur Beleidigung und Bedrohung

Laut "taz" sei die Seite auch eine Dokumentation über die Beschimpfungen deutscher Jugendlicher: momentan seien "Opfer", "Jude" und "Knecht" als Herabwürdigungen sehr verbreitet. Die Zahl der diffamierenden und verletzenden Posts habe laut "taz"-Recherchen die letzten Wochen eher zu- als abgenommen. Nutzer, die mäßigend in eine Diskussion eingreifen wollten, hätten nur wenig Erfolg. Moderatoren, die vor zwei Wochen versucht hatten dem Treiben Einhalt zu gebieten, wurden alle ihrer Pflichten enthoben. Der letzte Eintrag mit dieser Zielrichtung lautet: "An alle die hier so \’ne scheiße über andere rein schreiben schämt euch mal wallah, traut euch erstmal den Leuten das ins gesicht zu sagen..richtig EHRENLOS ! ihr seit so erbärmlich (:"

Gründe dafür, die Seite aus dem Netz zu nehmen gibt es genug: Beihilfe zur Beleidigung, üble Nachrede, Bedrohung usw. Weil die Seite mittlerweile in Schweden "gehostet" wird, hoffen die Behörden auf die Hilfe ihrer skandinavischen Kollegen. Das Familienministerium hat bereits einen Indizierungsantrag gestellt, damit die Seite zumindest über deutsche Suchmaschinen nicht mehr auffindbar ist.

Zivilrechtliche Schritte geplant

Die Mobbing-Zentrale will zivilrechtlich gegen die Seite vorgehen. Sollte sich ein konkretes Opfer finden, das bereit wäre, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wäre es möglich, die Seite pfänden zu lassen. Dann würden die Betreiber ohnehin bekannt werden. Bis dahin seien vor allem die Schulen gefordert, über das Thema zu sprechen und die Schüler zu sensibilisieren, so Margit Ricarda Rolf. Stefanie Kutscher von der EU-Initiative "klicksafe.de", die mehr Sicherheit im Netz gewährleisten soll, empfiehlt den Mobbing-Opfern "die Beiträge zu dokumentieren, die Schule zu benachrichtigen" und Gesprächspartner zu finden, die helfen können.

Bisher hat der Betreiber der Seite lediglich dem Stadtmagazin "Journal Frankfurt" ein Interview gegeben. Dort heißt es: Der Erfolg der Seite käme in erster Linie dadurch zustande, dass sie die Rachegefühle und die Feigheit der Nutzer bediene. Auf die Frage, was er tun würde, wenn jemand wegen des Portals von der Brücke springt, wusste er kaum etwas zu sagen: "Eine Katastrophe wäre das, absolut katastrophal. Aber so spontan kann ich dazu nichts sagen. Da müsste ich ausführlicher drüber nachdenken."

Die Bilanz, die der "taz"-Artikel zu dem Internetportal zieht, ist eindeutig: "Sollten Staatsanwaltschaft oder die Mobbing-Zentrale in Hamburg Erfolg haben, hätte das einen angenehmen Nebeneffekt: Die Macher hätten etwas Zeit, sich auch mal Gedanken zu machen." (pro)

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