Shell-Studie: Auf die Herkunft kommt es an



Das Internet ist für Kinder und Jugendliche das Massenmedium Nummer eins. Dies geht aus der am Dienstag von Bundesministerin Kristina Schröder vorgestellten Shell-Studie hervor. Demnach haben 96 Prozent aller Kinder und Jugendlichen einen Internetzugang. Durchschnittlich sind die Befragten 13 Stunden pro Woche online - und damit fast doppelt so lange wie 2002. In den meisten Fällen wird das Internet als soziales Netzwerk genutzt.


Von PRO

Die Studie belegt, dass sich das Freizeitverhalten je nach sozialer
Herkunft unterscheidet. Während sich Jugendliche aus privilegierten
Elternhäusern verstärkt mit Lesen und kreativen Tätigkeiten befassen und
vielfältige soziale Kontakte pflegen, sind Jugendliche aus sozial
benachteiligten Familien vornehmlich mit Computer und Fernsehen
beschäftigt.

Auch bei der Nutzung des Internets zeigt sich eine soziale Spaltung. Hier gelte es zwischen Gamern (24 Prozent), vor allem jüngere männliche Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien, digitalen Netzwerkern (25 Prozent), vor allem jüngere weibliche Jugendliche, Funktions-Nutzern (17 Prozent), eher ältere weibliche Jugendliche und  Vielfach-Nutzern (34 Prozent), eher ältere männliche Jugendliche aus den oberen Schichten, zu unterscheiden.



Zukunftsaussichten abhängig vom sozialen Status



Die 12-25-Jährigen wurden auch nach ihren Zukunftsaussichten befragt. Diese sind optimistischer als in der Vorgängerstudie 2006, aber auch abhängig vom sozialen Status der Befragten. Der Optimismus-Wert von vor vier Jahren wurde mit 59 Prozent noch einmal um neun Prozentpunkte übertroffen. 35 Prozent äußern sich unentschieden, nur 7 Prozent sehen ihre Zukunft eher düster. Bei Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien blicken aber nur 33 Prozent optimistisch in die Zukunft.



Diese Kluft wird auch bei der Lebenszufriedenheit deutlich: Während sich fast drei Viertel der Befragten positiv äußern, tun dies Jugendliche aus unterprivilegierten Verhältnissen nur zu 40 Prozent. Ähnlich fällt die Kluft auch beim Selbstvertrauen, sich die eigenen beruflichen Wünsche erfüllen zu können, aus.



Familie im Trend, Religion unwichtig



Wie schon bei der "2006er-Studie" ist die Bedeutung der Familie für die Jugendlichen nochmals gestiegen. 76 Prozent sind demnach davon überzeugt, dass man für ein glückliches Leben eine Familie braucht. Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen haben ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern und sind mit deren Erziehungsmethoden meistens einverstanden. Fast drei Viertel aller Jugendlichen würden ihre eigenen Kinder so erziehen, wie sie selber erzogen wurden. Wieder zugenommen hat zudem der Wunsch nach eigenen Kindern. 69 Prozent der Jugendlichen wünschen sich Nachwuchs, wobei dieser bei jungen Frauen (73 Prozent) ausgeprägter ist als bei den jungen Männern (65 Prozent).



Eine eher mäßige Rolle spielt dagegen für die Mehrheit die Religion. Während sie in Ostdeutschland zumeist bedeutungslos geworden ist, ist sie in den alten Bundesländern noch für 44 Prozent der katholischen Jugendlichen wichtig. In den neuen Bundesländern glauben noch 8 Prozent der 12 bis 25-Jährigen an Gott, in den alten Bundesländern etwa ein Viertel. Altersgenossen mit Migrationshintergrund weisen einen starken Bezug zur Religion auf, der im vergangenen Jahrzehnt sogar noch zugenommen hat.



Durchaus bereit sich zu engagieren



Das politische Interesse bei Jugendlichen ist zwar leicht angestiegen, liegt aber weiter deutlich unter dem Niveau der 1970er und 1980er Jahre. Dies ist ebenso eine Frage des Alters. Bei den 12- bis 14-Jährigen hat sich das Interesse binnen der letzten acht Jahre mit 21 Prozent nahezu verdoppelt, bei den 15- bis 17-Jährigen stieg es von 20 Prozent auf 33 Prozent. In ihrer politischen Ausrichtung ordnet sich die Mehrheit der Jugendlichen weiterhin links von der Mitte ein. Jugendliche sind durchaus bereit, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen, insbesondere dann, wenn ihnen eine Sache persönlich wichtig ist.



Immerhin 39 Prozent der Jugendlichen setzen sich häufig für soziale oder gesellschaftliche Zwecke ein. Je gebildeter und privilegierter die Jugendlichen sind, desto häufiger sind sie im Alltag aktiv für den guten Zweck. Mehr als die Hälfte der Befragten sehen das Verhältnis zwischen Jung und Alt als eher angespannt an. Dennoch zeigen immer mehr Jugendliche Respekt vor der älteren Generation und Verständnis für deren Lebensweise.



Ein Thema, das Jugendliche heutzutage besonders stark bewegt, ist der Klimawandel. 76 Prozent halten ihn für ein großes oder sogar sehr großes Problem. Zwei von drei Jugendlichen sehen durch das sich verändernde Klima die Existenz der Menschheit bedroht. Ein Teil der Jugendlichen zieht inzwischen persönliche Konsequenzen und achtet auf ein umweltbewusstes Verhalten. Immerhin jeder zweite spart im Alltag bewusst Energie.



57 Prozent wollen ihr Leben genießen



Die Werte und Lebenseinstellungen von Jugendlichen sind weiterhin pragmatisch: Der persönliche Erfolg ist für Jugendliche von großer Bedeutung. Auch wenn Fleiß und Ehrgeiz für 60 Prozent der Jugendlichen hoch im Kurs stehen, darf der Spaß nicht zu kurz kommen: 57 Prozent wollen ihr Leben intensiv genießen.



Die Shell-Jugendstudie ist eine empirische Erhebung über Einstellungen, Werte, Gewohnheiten und das Sozialverhalten von Jugendlichen in Deutschland. Sie wird seit 1953 alle vier Jahre vom gleichnamigen Mineralölkonzern herausgegeben. Die empirischen Erhebungen, bestehend aus Repräsentativerhebungen der 12 bis 25-jährigen Bevölkerung, in Deutschland wurden durch TNS Infratest durchgeführt. Für die 16. Studie wurden rund 2.600 Jugendliche zu ihrer Lebenssituation und zu ihren Einstellungen befragt.Die Bielefelder Sozialwissenschaftlern Mathias Albert, Klaus Hurrelmann und Gudrun Quenzel sowie ein Expertenteam des Münchner Forschungsinstitutes TNS Infratest leiteten die Untersuchung. (pro)

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