„Sexuelle Aufklärung nicht der Pornoindustrie überlassen“
Im Zeitalter des Internets sind Pornos alltäglicher Bestandteil der Mediennutzung Jugendlicher. Das hat die Medienwissenschaftlerin Petra Grimm am Freitag auf der Jugendmedienschutz-Konferenz „Paarungen 2.0“ in München gesagt. Jungen und Mädchen würden Pornos jedoch unterschiedlich nutzen und bewerten.
Petra Grimm forscht zum Umgang Jugendlicher mit Pornografie
In den vergangenen zehn Jahren habe sich der Zugang zu pornografischen Inhalten durch das Web 2.0 – die interaktiven Möglichkeiten des Internets – stark verändert, sagte Grimm auf der Konferenz. Es sei keine Ausnahme mehr, dass junge Menschen gewollt oder ungewollt mit Pornografie konfrontiert würden. Immer häufiger suchten Jugendliche auch ganz gezielt nach solchen Inhalten.
Jungen sähen sich Pornografie tendenziell häufiger an als Mädchen, sagte die Forscherin. Beide Geschlechter bewerteten die Clips und Bilder unterschiedlich. Für Jungen gehörten sie zur normalen Mediennutzung dazu. Mädchen hätten zwar auch Kontakt mit Pornos, lehnten sie jedoch stärker ab und fänden sie meist eklig. Außerdem sei ihre Kenntnis darüber geringer. Auch die Schwelle, ab der sie etwas als pornografisch einstuften und abstoßend fänden, sei niedriger als bei Jungen.
Jugendliche nutzten Pornos vor allem, um sich sexuell zu erregen, sich selbst zu befriedigen oder auch als Ersatz für Sex mit einem Partner, fand Grimm in einer Studie heraus. Manche sähen darin aber auch einen Lerneffekt zum Thema Sexualität. „Pornos sind eine bessere Aufklärung als das, was man in der Schule hört“, habe ein Jugendlicher im Interview gesagt. Aber auch das Bedürfnis, in der Clique mitreden zu können, sei ein Grund dafür, sich Pornos anzuschauen.
Grimm stellt in ihrer Studie fest, dass Jugendliche „biologistische“, für „unveränderlich“ gehaltene Auffassungen davon hätten, was weiblich und was männlich ist. Dabei sähen sie in der Rolle der Frau auch Unterwürfigkeit und Schutzbedürftigkeit gegenüber dem Mann. Dieses Modell, das Frauen sexualisiere, werde fast in allen Medien vermittelt, durch Pornos aber noch verstärkt, erklärte Grimm. Sie sieht ein Risiko darin, dass Jungen unter sexuellen Leistungsdruck geraten. Sie seien der Auffassung, schon vor dem ersten Geschlechtsverkehr sexuelle Erfahrungen haben zu müssen. Diese würden sie dann aus Pornos beziehen. Mädchen könnten zu dem Schluss kommen, sie müssten körperlich perfekt sein und alle sexuellen Praktiken mitmachen, auch wenn sie diese ablehnten. „Die Individualität und die Entwicklung eigener Phantasien kann auf der Strecke bleiben. Jugendlichen wird nicht die Zeit gelassen, spielerisch ihre Sexualität zu entdecken, wenn sie schon früh mit Pornos und entsprechenden Rollenbildern konfrontiert werden“, sagte Grimm.
Plädoyer für Gelassenheit
Sie stellte zudem fest, dass Jugendliche mitunter kaum über ihren eigenen Körper aufgeklärt seien, aber über abnormale Sexualpraktiken Bescheid wüssten. „Wir sollten der Pornoindustrie nicht die Aufklärung der Jugend überlassen“, sagte sie. Sie wünsche sich, dass Väter mehr mit Jungs über diese Themen sprechen. „Es ist Sache der Väter, sich hier einzubringen, aber nicht in dieser Nonchalance-Haltung. Sie sollten thematisieren, inwieweit das etwas mit der Realität zu tun hat, was man sieht, und was ihre Erfahrungen dabei sind.“ Gemeinsam Pornos zu schauen, halte sie jedoch „für kein probates Mittel“.
Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass es zwar wichtig sei, über Sexualität und Pornografie zu reden. Väter sollten dabei aber auch „Distanz wahren und nicht alle Geheimnisse wissen wollen“. Einer seiner Söhne habe ihm gesagt: „Früher waren Jugendliche beim ersten Geschlechtsverkehr unsicher, weil sie nichts wussten. Heute sind sie unsicher, weil sie alles wissen.“ Der Bischof riet allerdings dazu, angesichts von Pornokonsum nicht in Alarmismus zu verfallen. „Ich plädiere für mehr Gelassenheit bei der Frage, ob Jugendliche ab und zu Pornos sehen, wenn es keine Sucht ist. Wer ein stabiles Wertesystem von Zuhause mitbekommen hat, kann damit gut umgehen.“
Bedford-Strohm stellte außerdem fest, Sexualität sei „stark von Moral behaftet, weil wir dort besonders verletzlich sind“. Gleichzeitig müssten Christen aber aufpassen, dabei „nicht moralistisch“ zu sein: „Christlichkeit bemisst sich nicht an der Strenge der moralischen Normen, sondern daran, ob wir ausstrahlen, wovon wir sprechen.“ Dass Gott Mann und Frau zu seinem Ebenbild geschaffen habe, habe „immense Auswirkungen darauf, wie wir und wie die Geschlechter miteinander leben“. Machtbeziehungen, in denen der Mann über der Frau steht, seien mit dieser Aussage aus dem Schöpfungsbericht „hinwegzufegen“. In Bezug auf Sexualität bedeute das, so miteinander umzugehen, dass „der andere nie nur eine Ware ist“.
Die reformatorischen Erkenntnis, dass der Mensch durch den Glauben gerecht wird und nicht durch Werke, spielt für den Theologen eine wichtige Rolle, um Jugendliche in ihrem Selbstwert zu stärken. „Allein durch die Beziehung zu Gott weiß ich, ich bin in Ordnung. Ich muss nichts dafür leisten, besonders clever oder besonders schön sein – und das in einer Gesellschaft, in der wir nach ökonomischen Maßstäben an Leistung gemessen werden.“ Es sei Aufgabe der Kirche, den Stellenwert dessen noch deutlicher hervorzuheben.
Die Konferenz „Paarungen 2.0“ veranstaltete die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland. (pro)
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