Selbstmord im britischen TV – Kritiker empört

Am gestrigen Mittwochabend ist erstmals im britischen Fernsehen ein Selbstmord ausgestrahlt worden. Der Bezahlsender "British Sky Broadcasting" zeigte die Dokumentation über einen 59-jährigen Briten, der sich aufgrund seiner Krankheit 2006 mit Hilfe der umstrittenen Schweizer Sterbehilfeorganisation "Dignitas" das Leben genommen hatte. Britische Medienexperten sind empört.
Von PRO

Der Fernseh-Kanal „Sky Real Lives“ zeigte am Mittwoch, den 10. Dezember, um 21 Uhr Ortszeit den Film „Right to die?“ (Recht zu sterben?) von Oscar-Preisträger John Zaritsky. Darin sind die letzten Stunden und das Sterben des todkranken früheren Universitätsprofessors Craig Ewert zu sehen. Er litt an einer unheilbaren Nerven- und Muskelkrankheit, die zu einer Lähmung des Körpers und nach Aussagen der Ärzte in zwei bis fünf Jahren zum Tod geführt hätte.

Als sich der Verlauf der Krankheit beschleunigte, entschied sich der 59-Jährige zu einem begleiteten Selbstmord in einer „Dignitas“-Klinik in Zürich. Dort erhielt er einen Becher mit einer tödlichen Dosis Schlafmittel. Im Film ist zu sehen, wie Ewert die tödliche Flüssigkeit durch einen Strohhalm trinkt und dann um einen Apfelsaft und etwas Musik bittet. Weil seine Arme bereits gelähmt waren, betätigte er mit dem Mund eine Zeitschaltuhr, die sein Beatmungsgerät 45 Minuten später abschaltete. Während er starb, lief die Kamera weiter. Bevor er für immer die Augen schloss, sagte er „Danke“.

„Wenn ich komplett gelähmt wäre und nicht mehr reden könnte, wie hätte ich jemanden sagen können, dass ich leide. Das wäre die Hölle gewesen“, sagte Ewert dem Filmteam vor seinem Tod. „Hätte ich mich für das Leben entschieden, hätte ich mich für Folter entschieden.“ Der Sender kündigte den Film auf seiner Webseite mit einem Video an, in dem Ewert selbst zu Wort kommt. Darin sagt er: „Ich bin überzeugt, dass es keine unsterbliche Seele und kein Leben nach dem Tod gibt. Das ist eine Reise, die jeder von uns antreten muss.“

Kritiker: „Makaber, voyeuristisch, gefährlich“

„Das ist makaberer Todes-Voyeurismus“, empörte sich der Direktor der Gruppe „Care not Killing“, Peter Saunders, in der Zeitung „Guardian“. „Sollen schwerkranke Menschen nun dazu genötigt werden, ihrem Leben so schnell wie möglich ein Ende zu machen, um anderen nicht zur Last zu fallen?“ Nach Meinung Saunders gebe es einen „wachsenden Appetit“ in der britischen Öffentlichkeit nach „immer bizarreren Reality-Shows“. Er sieht in der Selbstmord-Sendung die Gefahr, dass die Meinung sich verbreite, es gebe so etwas wie nicht-lebenswertes Leben.

Auch der Direktor der britischen Medienwächter, John Beyer, warnt vor den Folgen: „Ich habe kein gutes Gefühl dabei“, sagt er laut dem Magazin „Focus“. „Berichterstatter sollten unparteiisch bleiben, sonst beeinflussen sie die Öffentlichkeit oder verleiten andere Leidende zu den gleichen Schritten.“ Dominica Roberts von der Organisation „Allianz für das Leben“ sagte: „Es ist traurig und gefährlich, so etwas im Fernsehen zu zeigen.“

Ehefrau: „Film ist informativ und aufklärend“

Ewerts Frau Mary, die ihrem Mann in den letzten Stunden zur Seite gestanden hatte, verteidigte die TV-Dokumentation. „Wenn der Tod privat und versteckt ist, sehen die Menschen ihren Sorgen davor nicht ins Gesicht. Craig war ein Lehrer. Und man kann sagen, er hat diesen Film als Lehrer gemacht.“ Ihr Mann habe gewollt, dass sein Selbstmord gezeigt wird, ist sie überzeugt.

Auch die Chefin von „Sky Real Lives“, Barbara Gibbon, verteidigte die Dokumentation. „Das Thema betrifft immer mehr Menschen und diese Dokumentation gibt einen informativen, gut verständlichen und lehrreichen Einblick in Entscheidungen, die manche Menschen treffen müssen.“

Der Regisseur John Zaritsky hatte 1983 den Oscar für seine Dokumentation „Just Another Missing Kid“ über einen vermissten Teenager gewonnen. Seine Dokumentation über den Selbstmörder Ewert kam 2007 unter dem Titel „The Suicide Tourist“ (Der Selbstmord-Tourist) heraus. Zaritsky verteidigt seine Entscheidung, die Sterbeszenen gezielt zu zeigen: „Es ist ein wichtiger Beitrag für die laufende Debatte.“

Die Schweiz, die Niederlande und Belgien haben Sterbehilfe in unterschiedlichem Ausmaß legal zugelassen. In Großbritannien wird derzeit hitzig über eine Legalisierung der aktiven ärztlichen Sterbehilfe diskutiert. In England und Wales gilt Selbstmord nicht mehr als Verbrechen, die Beihilfe dazu kann jedoch mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren geahndet werden. (PRO)

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