Eine Zeltevangelisation in Lousiana. Gospelmusik erklingt, der Prediger auf der Bühne spricht von den offenen Armen Jesu. Detective Rust Cohle (Matthew McConaughey) steht in der letzten Reihe und murmelt abschätzig: „Wie hoch kann der IQ dieser Leute sein?“ Sein Partner Marty Hart (Woody Harrelson) erwidert: „Kannst du von deinem hohen Ross bis Texas gucken? Was weißt du schon über diese Menschen?“
Das Gespräch, das sich zu einem philosophischen Diskurs über das Für und Wider des Glaubens entwickelt, manifestiert das Setting der Krimiserie „True Detective“. In ihr versuchen Cohle und Hart den Mord an einer jungen Prostituierten aufzuklären. Die Ermittlungen, die das Duo zu einem Wanderprediger und einer Kirchenruine führen, bilden zwar den roten Faden der achtteiligen Erfolgsserie aus den USA, viel spannender aber sind die gegensätzlichen Weltanschauungen, die in langen Dialogen aufeinandertreffen. In Deutschland dürfte die Serie schon bald im Free-TV laufen.
Cohle, ein versoffener Nihilist, ist von der Sinnlosigkeit des Lebens überzeugt – und denkt doch täglich darüber nach. Hart ist das, was man wohl einen Kultur- oder Namenschristen nennen würde: Er ist in einem christlichen Umfeld sozialisiert und der Glaube an Gott und Vaterland ist für ihn ebenso selbstverständlich wie der sonntägliche Kirchgang. Von einer persönlichen Beziehung zu Gott scheint der Cop aber weit entfernt – schon in der zweiten Folge betrügt er seine Frau Maggie, einer von vielen Fehltritten, die ihn letzten Endes seine Familie kosten werden. Cohles düstere Gedankenwelt überfordert Hart: „Das behältst du besser für dich“, entgegnet er, als Cohle sinniert: „Dieser Ort ist wie jemandes Erinnerung an eine Stadt, und die Erinnerung schwindet allmählich. Die Menschen hier draußen wissen nicht einmal, dass noch eine andere Welt existiert.“ Mit diesen Sätzen beschreibt Cohle in der ersten Folge brillant die Szenerie, in der sich die düstere Handlung erstreckt: die Sümpfe Louisianas, verlassene Gebäude, alte Fabriken. Wohnwagensiedlungen, billige Kneipen, heruntergekommene Puffs. Der großartige Vorspann, die Musik und meisterhafte Kameraführung ziehen den Zuschauer in die Atmosphäre hinein, lassen ihn die Hitze spüren und das nasse Gras riechen.
Die Haupthandlung, erzählt in Rückblenden, ereignet sich im Jahr 1995. Die Autos und Computer im von Zigarettenqualm vernebelten Bild könnten auch zehn oder zwanzig Jahre älter sein, das Jahrzehnt spielt keine Rolle. Die Kirche und der Glaube sind in der Serie allgegenwärtig, wie könnte es anders sein in einem Südstaaten-Krimi. Cohle vernimmt einen reichen Prediger, dessen konfessionelle Ausbildungsstätten irgendwie mit dem Mordfall zusammenhängen könnten. Reverend Billy Lee Tuttle ist klischeehaft gezeichnet und sieht aus wie Jerry Falwell, einer der einflussreichsten US-Evangelikalen des 20. Jahrhunderts – wuchtige Gestalt, dicke goldene Armbanduhr, mächtige Freunde in der Politik, die ihre schützende Hand über ihn und sein Missionswerk halten. Dass er Cohle mit „Sohn“ anredet, scheint die Distanz zwischen beiden nur zu vergrößern.