Sekten-Experte zum Abschied: Fliege ist ein „Irrlehrer“

Der scheidende Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche in Berlin, Pfarrer Thomas Gandow, hat bei seiner Verabschiedung aus dem Amt mehr kirchliches Engagement gegen "Irrlehrer" gefordert. So nannte er etwa die esoterischen Lehren des ehemaligen TV-Pfarrers Jürgen Fliege "beschämend für alle, die sich Pfarrer nennen".

Von PRO

Nach über 30 Jahren als "Sekten-Jäger", wie Kritiker ihn schimpften, wurde Gandow am Samstag in Berlin mit einem Gottesdienst in den Ruhestand verabschiedet. Seine Ansprache nutzte er, um ein letztes Mal seines Amtes zu walten: So verurteilte er, wie etwa Jürgen Fliege "geistlich Arme" ausnehme. Gandow spielte vor allem auf Flieges Verkauf eines Produktes an, das sich "Fliege-Essenz" nennt und das heilende Kräfte haben soll.

Einen "Skandal" und ein "Ärgernis" nannte Gandow die Tatsache, dass der "Präses im Rheinland, ihn nicht korrigiert und zur Ordnung ruft, sondern vielmehr unwidersprochen versichert, er stünde zu ihm". Die Anspielung galt dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider. Er hatte Fliege jüngst in einem persönlichen Brief mitgeteilt, dass er zwar nicht an einer von ihm organisierten Veranstaltung teilnehmen werde, hatte ihm aber dennoch den Rücken gestärkt und versichert, er wünsche Fliege "einen respektvollen Ton der EKD dir gegenüber". Fliege hatte Auszüge des Schreibens veröffentlicht.

Das Beispiel zeige, dass sich die Kirche stärker mit Sekten oder der Esoterik auseinander setzen müsse. "Es fehlt die Trennschärfe", sagte Gandow, und weiter: "Religionskritik ist keine evangelische Disziplin mehr."

In seiner Amtszeit beriet Gandow in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) Gemeinden und Einzelpersonen, begleitete etwa Aussteiger oder Eltern, die um ihre Kinder fürchteten. 1977 hatte die Kirche ihn mit der Wahrnehmung der pfarramtlichen Dienste im Amt für Jugendarbeit mit dem Schwerpunkt "Neue Religiöse Gemeinschaften" beauftragt, im Jahr 1992 wurde ihm die Provinzialpfarrstelle für Sekten- und Weltanschauungsfragen übertragen. Gandow gilt weit über die Landeskirche hinaus als anerkannter Experte in Fragen der Sekten- und Weltanschauungen. So erklärte er etwa 2009 gegenüber pro: "Der Bürger muss grundsätzlich kritisch sein, also prüfen und unterscheiden. Die Welt ist kein Paradies, sondern ein Dschungel. Da gilt wie beim Pilzesammeln: Augen auf, nicht träumen, sondern hinschauen. Nicht alles, was schön aussieht, gehört ins Körbchen." Er arbeitete bundesweit in verschiedensten Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland und wirkte als Autor unter anderem an der Erstellung des Handbuches "Religiöse Gemeinschaften und Weltanschauungen" mit.

Wer sein Amt künftig besetzen soll, ist derzeit ebenso unklar, wie die Antwort auf die Frage, in welchem Umfang es fortgeführt wird. Pröpstin Friederike von Kirchbach versicherte dazu am Samstag: "Es wird weiter einen hauptamtlichen Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten geben." Die EKBO teilte derweil mit, sie prüfe derzeit ein "neues Modell" – und zwar gemeinsam mit der Evangelischen Kirche von Anhalt. (pro)

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