Ein "Reisebegleiter für die Getriebenen im Leben" soll Margot Käßmanns neues Buch "Sehnsucht nach Leben" sein. Die Zeit des Getrieben-Seins hat sie selbst hinter sich gelassen. Als sie am Dienstag in Berlin ihr Buch vorstellt, wirkt Käßmann trotz Journalisten- und Fan-Andrang gelassen. In ihrem alten Beruf habe sie niemals Zeit für ein solches Werk gehabt. Als Gastprofessorin in den USA habe sie Abstand, Stille und Muße gefunden – seit langem mal wieder. Das drückt auch "Sehnsucht nach Leben" aus. Käßmann schreibt über die Bedeutung der Freiheit, des Lebens, des Friedens oder der Liebe aus christlicher Perspektive. Bebildert haben Verfasserin und Verlag das ganze mit den Werken des Malers Eberhard Münch.
"Das Leben ist mehr als beruflicher Leistungsdruck"
"So wunderbar nicht weltfremd" sei Käßmanns Buch, erklärt Ralf Markmeier, der Geschäftsführer des christlichen Verlags "Gerth Medien", zu dem "adeo" gehört. Käßmann macht das deutlich: Sie habe etwa immer an die Opfer des Loveparade-Unglücks denken müssen, als sie ein Kapitel zum Thema Trost verfasst habe. Auch ihr eigener Werdegang war Inspiration für das Buch. "Das Leben ist mehr als beruflicher Leistungsdruck", erklärt Käßmann mit Blick auf ihre Zeit als EKD-Ratsvorsitzende. Und noch etwas habe sie sich bei den Arbeiten an "Sehnsucht nach Leben", das in den USA entstanden ist, bewusst gemacht: "Heimat ist da, wo du die stärksten Bezüge hast", sagt sie. Deshalb sei sie gerne nach Deutschland zurückgekehrt. Derzeit lebt sie in Berlin.
Es ist wohl diese offene Art, auch mit dunklen Kapiteln ihres Lebens umzugehen, die Margot Käßmann noch immer eine Bischöfin der Herzen sein lässt, auch wenn sie ihr Amt schon lange niedergelegt hat. Bei ihrer Lesung in Berlin stehen die Interessierten vor den Türen des Kultur-Kaufhauses "Dussmann" Schlange, um die Theologin zu sehen und zu hören. Sie selbst versteht den Hype um ihre Person nur bedingt. "Die Menschen im Land haben eine Sehnsucht nach Halt", sagt sie. Es sei möglich, dass ihre Fans diese Suche auf sie projizierten, auch wenn sie diese Sehnsucht natürlich niemals stillen könne.
"Deprimierende" Libyen-Politik
Doch vielleicht liegt ihre bleibende Popularität auch noch an etwas anderem. Käßmann ist bekannt dafür, sich zu aktuellen politischen Themen zu äußern. Auch an diesem Abend spricht sie nicht nur über ihr Buch, sondern auch über die Lage in Libyen: Seitens der UN eine Flugverbotszone über dem Land einzurichten, halte sie für richtig, aber ein Militäreinsatz sei "hoch problematisch". "Deprimierend" finde sie es, wenn Europa einerseits jahrelang Waffen an Libyen liefere, diese nun aber mit Gewalt zerstören wolle.
Sie habe nicht vor, in naher Zukunft wieder ein Buch zu schreiben, sagt Käßmann weiter. Dafür können Radio Bremen-Freunde die ehemalige Bischöfin bald als Moderatorin erleben. Am 13. Mai wird sie neben Giovanni di Lorenzo die Sendung "3nach9" moderieren. Käßmann vertritt Judith Rakers, die an diesem Abend durch das Programm des "Eurovision Song Contest" in Düsseldorf führt. Käßmann sei neben Ursula von der Leyen eine seiner Wunschpartnerinnen für die Sendung gewesen, sagte di Lorenzo laut der Tageszeitung "Die Welt". Es scheint, als würde die "Faszination Käßmann" noch lange nicht abebben. Das zeigt auch der Erfolg des Buchs. Zwei Wochen nach Erscheinen steht "Sehnsucht nach Leben" auf Platz eins der "Spiegel"-Bestseller-Liste im Bereich Sachbuch. In der vergangenen Woche war es auf PLatz 19 eingestiegen. (pro)
Margot Käßmann: Sehnsucht nach Leben, adeo, 176 Seiten, 17,99 Euro, ISBN: 978-3-942208-26-0
