Segen, Sünden und ganz viele Sauereien

Das Satiremagazin Titanic provoziert gern und oft, auch gegen die Kirche. In der „Titanic-Bibel“ haben jetzt einige Autoren des Blattes eine große Sammlung ihrer Religionssatiren veröffentlicht. Eine Glosse von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz

Liebes Satiremagazin Titanic,

lange hatten wir Christen uns davor gefürchtet, jetzt ist es geschehen: Ihr bringt eure „Titanic-Bibel“ heraus, ein über 300 Seiten dickes Mammutwerk, das wohl in die Geschichte der neueren Vulgär-Religionskritik eingehen wird. Sollte man zumindest meinen, wenn man euer opulentes Buchcover so betrachtet.

Drei Jahrzehnte habt ihr gespottet, veräppelt – und uns Fallen gestellt. Fallen, in die wir Christen leichtgläubig hineintappten. Wir protestierten lautstark gegen euch, weil wir doch so offensichtlich im Recht waren: Zum Beispiel gegen das Cover mit dem gekreuzigten Jesus, an dem ein Priester sexuelle Handlungen vornimmt. Oder die mit Pipi befleckte Soutane von Benedikt XVI. („Die undichte Stelle ist gefunden!“), mit der ihr auf den Vati-Leaks-Skandal anspielen wolltet. Bald lag auch der Brief des Papst-Anwaltes im Briefkasten. Doch genau das war es, was ihr wolltet. Dann lief’s nämlich wie immer: Die ersten Medien berichteten über euer Titelbild, während ihr in der Redaktion schon mal die Gläser hobt, um auf den kurz bevorstehenden Sieg der Speerspitze des deutschen Satire-Journalismus zu trinken. Schon riefen die ersten Empörten an, deren wüste Beschimpfungen ihr sogleich in der Rubrik „Titanic-Leser stellen sich vor“ veröffentlichen konntet. Die Christen regen sich auf, ihr kommt in den Medien vor, Auflage gesteigert, Mission accomplished!

Umgekehrt gilt aber auch: Kaum etwas dürfte euch mehr stören als nicht beachtet zu werden. Wenn ich bei euch vorbeisurfe und eure neuesten Ergüsse betrachte, stelle ich mir immer eure schelmischen Gesichter vor, wie ihr euch auf die Schulter klopft, weil ihr der Meinung seid, nach langer, verzweifelter Suche endlich ein Tabu gefunden zu haben, das ihr noch nicht gebrochen habt. Der Plan allerdings geht nur auf, solange wir euch nicht ignorieren – worauf ihr nicht hoffen solltet.

Um das zu verhindern, werdet ihr schon ziemlich kreativ. „Segen, Sünden, Sauereien“ ist der Untertitel eurer Bibel – wobei, seien wir mal ehrlich: Eigentlich geht’s euch doch nur um Sauereien, oder? Schließlich sind eure Kreativitätsreserven meist nach dem traditionell postpubertären Pipi-Kacka-Humor schon aufgezehrt. Ja, uns wird auch eine gewisse Fokussierung auf die weltbewegenden Fragen der Schlafzimmer-Politik vorgeworfen, vielleicht nicht ganz zu Unrecht. Eigentlich könnt ihr nur eins fürchten: Dass die katholische Kirche ihre Sexualmoral liberalisiert. Dann müsstet ihr euch nämlich etwas Neues einfallen lassen.

Daher ein Vorschlag: Wie wäre es denn mit ein paar scharfsinnigen, lustigen Satire-Beiträgen, die sich nicht nur zwischen Bauchnabel und Knie abspielen? Einen hoffnungsvollen Anfang habe ich in eurem Buch gefunden. Ein Bild des Massenmörders Anders Breivik, im Stil der „Gesicht-zeigen“-Kampagne. Ihr lasst den rechtsradikalen Terroristen sagen: „Ich bin Christ – wenn du was gegen Christen hast.“ Damit habt ihr den Nagel auf den Kopf getroffen. Breivik gab sich als Christ aus, weil er sich als Opfer sehen wollte – und um seine Gewalt gegen seine Gegner zu begründen. Diesen komplizierten Zusammenhang habt ihr hervorragend illustriert. Zwar ist das ebenfalls geschmacklos, aber immerhin intelligent und kreativ. Und wisst ihr was: Ich glaube, ihr wollt eigentlich lieber originell sein, als den 1000. dämlichen Witz über Pädophilie in der Kirche zu reißen.

Viel Mut dazu wünscht

Nicolai Franz

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