Seelsorge im Internet zunehmend gefragt

Auf das Seelsorge-Angebot der Kirchen greifen immer mehr Menschen zurück, berichtet der "Deutschlandfunk". Der Radiosender sprach mit dem Gründer von "Kummernetz.de", Uwe Holschuh, und dem Seelsorger Norbert Kebekus vom Erzbistum Freiburg über Möglichkeiten und Grenzen der Internet-Seelsorge.
Von PRO

Das Internet habe einen immer bedeutenderen Stellenwert im alltäglichen Leben der Menschen, und dies schlage sich auch bei der Internet-Seelsorge nieder. Wie Holschuh gegenüber "Deutschlandfunk" sagte, führe dies sogar dazu, dass Seelsorge-Angebote im Internet zunehmend überlastet seien. So hätten die Seelsorger von "Kummernetz.de" im August nur 40 Prozent der Anfragen bearbeiten können.

Das virtuelle Seelsorgeangebot von "Kummernetz.de" ist ein Projekt der "Arbeitsgemeinschaft christlicher Onlineberatung", einem Zusammenschluss verschiedener Diözesen aus dem süddeutschen Raum und der Evangelische Landeskirche Baden. Die Seite bietet laut "Deutschlandfunk" verschiedene seelsorgerliche Angebote wie ein moderiertes Forum, einen Live-Chat, bei dem ein Austausch mit einem persönlichen Berater stattfinden könne, und ein webbasiertes Email-Angebot, das größtmögliche Anonymität gewährleiste.

Auf die Website kämen "Klienten" mit unterschiedlichen seelsorgerischen Anliegen, etwa Beziehungsproblemen, Vereinsamung oder Sinnfragen. Als die Seite vor 15 Jahren online ging, sei er noch belächelt, das Angebot als "private Spielwiese" abgetan worden, erinnert sich Holschuh. Nun sei das Angebot aber ebenso wie die alltägliche Nutzung des Internets überhaupt selbstverständlich geworden.

Grenzen virtueller Seelsorge

Auf der Seite könnten sich die Nutzer über die Berater informieren und auch erfahren, ob sie noch freie Kapazitäten hätten. Genau dies sei aber immer weniger der Fall, so Holschuh. Die Ursachen hierfür sieht Holschuh in der Finanznot der Kirche. Mit dem damit verbundenen Personalabbau werde es immer schwieriger, gute Seelsorge anzubieten. Vor allem die Einzelseelsorge komme damit zu kurz, zumal die Nachfrage kontinuierlich ansteige.

Allerdings sieht Holschuh unabhängig von der Personalsituation deutliche Grenzen in den Möglichkeiten virtueller Seelsorge. Sie könne nur als Begleitung dienen und sei kein Ersatz für die Beratung von Angesicht zu Angesicht. In der Regel werde der Austausch daher auf fünf E-Mails beschränkt.

Norbert Kebekus, Seelsorger des Erzbistums Freiburg, gibt aber zu bedenken, dass auch solch kurze Kontakte äußerst zeitintensiv seien. "Auch eine kurze Seelsorgemail bedeutet einen erheblichen Aufwand, weil ich genau formulieren muss, damit klar wird, was ich meine." Anders als im persönlichen Gespräch habe man keine unmittelbare Rückmeldung über Mimik und Körpersprache, wie das Geschriebene ankommt.

Verschriftlichung und Entschleunigung als therapeutische Möglichkeit

Dennoch sieht Kebekus auch einige Vorteile bei der E-Mail-Seelsorge: Am Telefon seien auch Seufzen, Weinen oder Schweigen Möglichkeiten der Kommunikation. Gerade weil dies beim E-Mail-Austausch nicht gegeben ist, müsse man das, was zum Ausdruck gebracht werden soll, in Worte fassen. Schon dadurch geschehe eine gewisse Verarbeitung der Situation, denn was aufgeschrieben wird, sei zumindest ansatzweise bereits reflektiert.

Ein weiterer Vorteil sei die Entschleunigung des seelsorgerischen Kontakts. Dies biete sowohl dem Seelsorger als auch dem Hilfesuchenden die Möglichkeit, das bereits Gesagte erst einmal zu verarbeiten. Außerdem gestalte sich der Kontakt über E-Mail zeitlich flexibler, denn man könne im Voraus vereinbaren, wo, wann und wie der Kontakt zustande kommen soll.

Das Evangelium in "sozialen Netzwerken"

Kebekus weist in dem Gespräch auch darauf hin, dass das "Web 2.0" (Facebook, Second-Life, Twitter, verschiedene Blogs) für Kirchen immer wichtiger werde. Verstehe man Seelsorge als Verkündigung des Evangeliums oder Zeugnisgeben für den Glauben, dann seien die "sozialen Netzwerke" geradezu dafür prädestiniert. Denn in ihnen gehe es schließlich darum zu präsentieren, was einen interessiert und einen ausmacht.

Der Wille der Kirche, sich im "Web 2.0" zu präsentieren, sei zwar da. Doch fehle es vielen Geistlichen an Begeisterung für die neuen Medien. Wenig Sinn hätte es, so Kebekus, wenn ein Bischof einen Facebook-Account anlege und dann nur seinen persönlichen Sekretär darin schreiben lasse. "Ich finde, es gehört ja gerade dazu, dass man als Person auch greifbar wird." Daher müsse sich der Bischof selbst beteiligen – das gäbe dann viel Resonanz, und dies wiederum koste entsprechend Zeit. (pro)

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