Scientology: Neue Diskussion um Verbot

H a m b u r g (PRO) - Ist Scientology eine Sekte, die verboten werden sollte? Oder eine Religionsgemeinschaft, die vom Staat anerkannt werden sollte? Ein neues Buch einer Expertin hat diese Frage neu aufgeworfen. Viele Politiker sehen die Organisation skeptisch, glauben aber nicht, dass die Hinweise des neuen Buches für einen Verbotsantrag ausreichen.
Von PRO

Im Januar eröffnete die „Scientology Church“ in Berlin-Charlottenburg ein neues imposantes Zentrum; im Juli machte die Gemeinschaft erneut Schlagzeilen, weil einer ihrer bekanntesten Vertreter, der Schauspieler Tom Cruise, den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg in einem Hollywood-Streifen spielen soll und damit Protest hervorrief. Nun erhielt die Diskussion um ein mögliches Verbot der „Kirche“ neuen Zündstoff. Ursula Caberta, seit 15 Jahren Leiterin der in Hamburg ansässigen „Arbeitsgruppe Scientology“, hat am Dienstag ein „Schwarzbuch Scientology“ (Gütersloher Verlagshaus) vorgestellt.

Darin beschreibt die 57-Jährige die Ziele und Methoden der „Scientology Church“. Sie greift dabei unter anderem auf Verfassungsschutzberichte und frühere Bücher zurück. Neulinge würden demnach massiv beeinflusst, von allen familiären Bindungen entfremdet, materiell ausgebeutet und bei „Reinigungsritualen“ durch überdosierte Vitamincocktails gesundheitlich gefährdet. Die letzten kritischen Bücher über Scientology seien laut Caberta vor zehn Jahren herausgekommen, und sie wolle zeigen, dass die Aktivitäten der Gruppe keinesfalls nachgelassen hätten. Das Vorwort für ihr Buch schrieb Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU).

Heilsversprechen, Kontrolle, Machterweiterung

Das Buch zitiert das Scientology-übliche Vokabular: „Die Eingeweihten ‚wissen‘, all die anderen sind entweder Kandidaten der Teilhabe an diesem ‚Wissen‘ oder verblendete Kontrahenten, ‚Unterdrücker‘ des wahren Wissens und des Wegs zur Befreiung“, fasst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (F.A.Z.) zusammen. Die Befreiung, die „Läuterung“ erfolge stufenweise, und jede Stufe habe ihre eigene Initiationen und Titel. Vor allem aber seien es das ökonomische Wachstum und die Machterweiterung, die laut Caberta im Mittelpunkt von Scientology stünden. Das Heilsversprechen werde zum Motor einer Strategie, in der es um nichts anderes als um die Durchsetzung der organisierten Gruppe geht, sprich: um Macht.

Der Kern der scientologischen Praxis bestehe daher darin, Mitglieder anzuwerben, Feinde ausschalten und Geld zu machen. „Die Organisation ist ein Wirtschaftsunternehmen, dessen Produkt der wirtschaftliche Erfolg ist“, schreibt die F.A.Z. Ursula Caberta nennt es „Marketing in Reinform“. Besonderes Augenmerk richtet die Autorin dabei auf das Erziehungssystem der Scientologen. Sie schreibt von „Erziehungsdrill ohne Widerspruch“ und „Reinigungsritualen“, denen weinende Kinder ab dem vierten Lebensjahr unterzogen würden. Auch von Kindern, die ausstiegsbereiten Eltern entzogen werden, berichtet Caberta, allerdings anonymisiert.

Scientology sei keine Religionsgemeinschaft, erklärt die Expertin. Vielmehr sei es eine demokratiefeindliche Geheimorganisation, eine Mischung aus Science-Fiction und Profitmaximierung. Das Kontrollsystem der Scientologen vergleicht Caberta mit dem der DDR-Stasi.

Politiker uneins über Verbotsantrag

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) stimmte für einen Antrag auf Verbot der „Scientology Church“ in Deutschland. Es handele sich dabei um eine „extremistische Vereinigung“, die sich gegen die freiheitliche Gesellschaft richte. Wie Nagel bei der Buchvorstellung in Hamburg mitteilte, werde sich die Innenminister-Konferenz im Herbst mit dem Thema beschäftigen.

Die Innenpolitiker des Bundes zeigten sich indes skeptisch gegenüber einem solchen Verbotsverfahren. Wie die Tageszeitung „Die Welt“ berichtet, äußerte Unionsfraktionsvizechef Wolfgang Bosbach Zweifel daran, dass das Material Cabertas ausreiche, um Scientology Verfassungsfeindlichkeit nachzuweisen. Ein Verbotsantrag lasse sich „nicht aus der Hüfte stellen“. „Wenn er gestellt wird, dann muss er Erfolg haben“, sagte Bosbach. Er plädierte vor allem für eine „lückenlose Überwachung“ der Organisation.

Dies forderte auch der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD). Er sehe jedoch ebenfalls „gegenwärtig keine realistische Chance“ für ein Verbot, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vom Mittwoch. Ebenfalls zurückhaltend äußerte sich der Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck: Die vorliegenden Indizien rechtfertigten derzeit kein Vereinsverbot wie etwa beim ’Kalifstaat’ von Metin Kaplan, sagte Beck laut einem Bericht der „Netzeitung“. Zwar widersprächen Welt- und Menschenbild von Scientology den Werten des Grundgesetzes. „Das reicht aber für ein Verbot nicht aus.“

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, verlangte vor allem eine bessere Aufklärung über Scientology. „Wir müssen erreichen, dass möglichst viele Bürger unseres Landes sich selbst ein Bild über die Organisation machen. So können sie dann sehr schnell feststellen, dass dies keine Religionsgemeinschaft ist und dass der Verfassungsschutz einer ganzen Reihe von Bundesländern diese Organisation wegen ihrer totalitären Strukturen und wegen ihres zweifelhaften Verhältnisses zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung beobachtet“, erklärte Meinhardt am Mittwoch.

Ursula Caberta: „Schwarzbuch Scientology“, Güterloher Verlagshaus, 207 Seiten, 17,95 Euro, ISBN 978-3-579-06974-6

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