Scientology: Kein Verbot in Frankreich

Neun Jahre haben ehemalige Mitglieder der Sekte gekämpft, nun endete ihr Prozess gegen Scientology mit einem vergleichsweise milden Urteil: Die Organisation wurden wegen Betrugs mit Geld- und Bewährungsstrafen belegt, verbieten wollte das Gericht Scientology aber nicht.  

Von PRO

"Organisierter gemeinschaftlicher Betrug" lautet das historische Urteil eines Pariser Strafgerichts gegen die Sekte Scientology. Wie der Schweizer "Tagesanzeiger" meldet, wurde der Hauptangeklagte und oberste Scientologe in Frankreich, Alain Rosenberg, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 30.000 Euro verurteilt. Drei weitere Angeklagte erhielten Gefängnisstrafen von 10 bis 18 Monaten. Das "Celebrity Center", eine Einrichtung der Organisation, die sich um die Werbung und Unterstützung Prominenter kümmert, muss 400.000 Euro Strafe zahlen, die Scientology-Buchhandlung 200.000 Euro. Was nach einem harten Urteil klingt, ist tatsächlich wesentlich milder als Presse und Sachverständige nach dem Prozessauftakt im Mai zunächst erwartet hatten. Weil die Sekte zum ersten Mal in ihrer Geschichte als Organisation vor Gericht stand, drohte ihr die Auflösung in Frankreich.

"Seelische Notlage ausgenutzt"

Geklagt hatten zwei ehemaligen Mitglieder der Organisaton, die Scientology vorgeworfen hatten, zwischen 1997 und 1999 ihre damalige seelische Notlage ausgenutzt zu haben. "Mitten in einer Lebenskrise seien sie damals verwundbar, leichtgläubig und stark beeinflussbar gewesen. Scientology sei es deshalb gelungen, sie zu Ausgaben in Höhe von 21.000 beziehungsweise 49.500 Euro für Kurse, Bücher und Medikamente zu nötigen", schreibt die Tageszeitung "Welt". Eine Klägerin erklärte zum Prozessauftakt im Mai, sie habe 1998 einen Persönlichkeitstest bei Scientology gemacht und dann für insgesamt 20.000 Euro überteuerte Bücher, Medikamente und einen "Elektrometer" zur Messung des Wohlbefindens gekauft. Scientology habe die Klägerin mit einem ihrer umstrittenen Persönlichkeitstests gelockt, "die jeden wissenschaftlichen Wertes entbehren", hieß es in der Anklage. Ziel dieser Tests sei einzig und allein, in der Folge weitere Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen. Am Ende war die Betroffene nicht nur pleite, sie wurde auch noch von Scientology genötigt, Kredite aufzunehmen, um die Sekte weiterhin zu unterstützen. Ursprünglich hatten sechs ehemalige Mitglieder geklagt, doch vier von ihnen zogen ihre Klage später zurück.

Die Richter erklärten, Scientology habe mit unlauteren Methoden neue Mitglieder angeworben und diese finanziell ausgenommen. Dennoch blieb das Gericht bei seinen Urteilen deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft. Diese hatte Geldbußen von mehreren Millionen Euro und mehrjährige Haftstrafen für die verantwortlichen Scientologen gefordert. Eine zunächst in Erwägung gezogene Auflösung der Sekte in Frankreich stand hingegen schon seit Monaten nicht mehr zur Debatte. Der Grund: Ein entsprechendes Gesetz war im Mai geändert worden. Nach Angaben der Regierung war dies aus Versehen im Rahmen einer umfassenden Reform zur Rechtsvereinfachung geschehen. Scientology-Gegner hatten damals gemutmaßt, die Sekte habe die französische Nationalversammlung unterwandert.

Kein Verbot: Gefahr der Unterwanderung

Das Pariser Gericht äußerte in seinem Urteil zudem Zweifel daran, ob ein radikales Verbot eine sinnvolle Maßnahme sei. Dabei bestünde die Gefahr, dass Scientology aus dem Untergrund weiter agieren würde. Die Richter forderten deshalb eine bessere Beaufsichtigung der Organisation. Scientology bewertete das Verfahren laut Presseberichten als "Ketzerprozess" und "Inquisition". Selbst wenn nicht auszuschließen sei, dass einzelne Mitglieder sich strafbar gemacht hätten, habe das nichts mit Religion oder ethischen Fragen zu tun. Es käme doch auch niemand auf die Idee, die Katholische Kirche wegen einiger pädophiler Priester zu verbieten. Die Sekte akzeptiert das Urteil nicht und will Berufung einlegen.

"Das wird der Bewegung schaden"

Der Anwalt der Kläger, Olivier Morice, bezeichnete das Urteil laut "Welt" hingegen als "wichtige und historische Entscheidung, denn es ist das erste Mal, dass Scientology für bandenmäßig organisierten Betrug verurteilt worden ist". Die Entscheidung der Richter sei subtil und intelligent, meint auch die Vorsitzende der französischen Anti-Sekten-Vereinigung "Unadifi", Catherine Picard. "Es wird der Bewegung schaden und helfen, sie besser zu kontrollieren."

Auf Antrag des Zentrumspolitikers Nicolas About soll das französische Parlament in der kommenden Woche über einen Antrag entscheiden, der die versehentliche Gesetzesänderung zugunsten Scientologys rückgängig machen soll. Ein Verbot der Sekte kommt dennoch nicht mehr in Frage – außer bei künftigen Prozessen. (pro)

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