Der Journalismus gilt gemeinhin als „vierte Gewalt“ im Staate. „Er ist für die öffentliche Meinungs- und Willensbildung von immanenter Bedeutung“, sagt Wolfgang Donsbach, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Technischen Universität Dresden. Doch nur noch 35 Prozent der Deutschen sagen, dass sie Journalisten vertrauen. Damit liegt der Berufsstand weit hinter anderen Professionen zurück, sogar Meinungsforschern wird mehr Vertrauen entgegengebracht.
Donsbach hat vor kurzem das Buch „Entzauberung eines Berufs. Was die Deutschen vom Journalismus erwarten und wie sie enttäuscht werden“ beim UVK Verlag herausgebracht. Darin legt er die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2008 dar, in der über 1.000 Deutsche zu ihrem Verhältnis zu den Medien befragt wurden. Durchgeführt wurde die Umfrage auf Initiative des Institutes zur Förderung des publizistischen Nachwuchses, einer Journalistenschule, deren Träger die Katholische Kirche ist.
„Die Bürger fordern zentrale Leistungen des Journalismus ein und zeigen sich in vielerlei Hinsicht von dem enttäuscht, was ihnen geboten wird“, stellt Donsbach fest. „Das Image des Journalismus leidet zunehmend, die Medien geraten in eine Glaubwürdigkeitskrise, und schließlich wenden sich mehr und mehr Menschen von den Informationsangeboten der Medien ab“, lautet eine Hauptaussage seines Buches.
Macht, Käuflichkeit, Ethik
„Wir haben es heute nicht nur mit einer zunehmenden Politikverdrossenheit zu tun, sondern auch mit einer Journalismusverdrossenheit“, sagte der Professor für Kommunikationswissenschaft gegenüber dem Informationsdienst „Pressetext“. Dabei seien die Menschen auf Journalisten als kommunikative Vermittler angewiesen – „gerade in der heutigen Internetgesellschaft“. Donsbach fügte hinzu: „Eine Gesellschaft, in der sie nicht in ausreichendem Maß und in der nötigen Qualität erbracht wird, ist nicht etwas, das wir haben wollen.“ Hinzu komme: „Für mehr als die Hälfte der Befragten sind Journalisten mächtiger als Politiker. Und fast alle finden das nicht gut.“
Als eine Ursache sieht der Wissenschaftler das ethische Verhalten der Journalisten. Die Bürger wünschten sich eine „distanziertere und feinfühligere Berichterstattung“. „Für die Bürger wiegen Respekt und Pietät schwerer als das öffentliche Interesse“, ist Donsbach überzeugt. Laut Umfrage sprachen sich acht von zehn Bürgern dagegen aus, dass in den Medien zivile Kriegsopfer abgebildet werden.
Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit der Branche sei ein Problem. „Die deutliche Mehrheit der Deutschen hält Journalisten für käuflich. Rund zwei Drittel glauben, dass bezahlte Recherchen häufig vorkommen oder, dass die Interessen von Anzeigenkunden auch in der redaktionellen Berichterstattung berücksichtigt werden“, ergänzt Donsbach.
Boulevardvisierung der Nachrichten
Weiters sei die zunehmend um sich greifende Boulevardvisierung der Nachrichtenberichterstattung als wesentlicher Faktor zu nennen. Laut Donsbach wünscht sich die übergroße Mehrheit eine sachlichere Berichterstattung, die sich stärker an Fakten orientiert und Ereignisse und Entwicklungen ausführlich und objektiv darstellt.
„Eine weitere Ursache für die Vertrauenskrise ist zudem der Umstand, dass es der Bevölkerung mittlerweile an einer klaren Vorstellung fehlt, was Journalismus ist und was nicht. Dieses Problem betrifft vor allem die Unterscheidung zwischen Journalismus und PR und wird durch das Internet noch verschärft“, meint der Studienleiter.
Schweinegrippe löst Hysterie aus – dank Journalisten
Als jüngstes Beispiel dafür, wie Medien ihr Vertrauen bei den Bürgern verspielten, nannte der ehemalige Chefredakteur der „Welt“, Journalisten-Ausbilder und Träger des „Medienpreises für Sprachkultur“, Wolf Schneider, auf dem Journalistentag der „Süddeutschen Zeitung“ die Berichterstattung über die Schweinegrippe. Die „jüngste Hysterie“ könne „als anschauliches Lehrbeispiel“ dafür dienen, dass „den meisten Nachrichtenredakteuren aller Sinn für Proportionen abhanden gekommen“ sei, so Schneider.
Die Fakten: weltweit sind derzeit rund 6.000 Menschen von dem Virus infiziert, 61 sind daran gestorben – das ist eine Sterbequote von einem Prozent. Von den 61 Toten entfallen 56 auf Mexiko, 5 auf das übrige Amerika; in Europa ist keiner an ihr gestorben. „Keine sehr aufregende Zahl verglichen mit den mehr als 5.000 Mexikanern, die 2008 von der einheimischen Drogen-Mafia ermordet worden sind“, so Schneider. „Der Sensenmann im Sauseschritt – welch willkommene Abwechslung nach den ewigen Nachrichten von Opel und von Wowereit!“
Schneider resümiert: „Die Menschen neigen dazu, sich die falschen Sorgen zu machen: Was sie wirklich bedroht, ignorieren sie gern – aber was die Gemüter bewegt, weil die Medien es ihnen als Katastrophe kredenzen – das erfüllt sie mit Panik.“ Schneider prangert das „unbegreiflich schiefe Bild der Welt“ an, das „begeisterte Fernsehteams und in ihrem Schlepptau die Nachrichtenredakteure in ihrer tristen Routine“ malten. „Von Berufs wegen“ sei das Journalisten-Bilder von der Welt stets schwärzer als die Wirklichkeit. (PRO)