Schröders Eingeständnis



"Ja natürlich bin ich schuldig geworden." Offene Worte findet der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder im Interview der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt". Im Rückblick auf sein Politikerleben erklärt der Sozialdemokrat dem Journalisten Patrik Schwarz, warum er sich nur zurückhaltend zu seinem Glauben äußert.


Von PRO

Es gebe ein paar Dinge im Leben, die sollte man mit sich persönlich
ausmachen und dazu zähle für Schröder der Glaube an Gott. Zu
Glaubensfragen  habe er sich während seiner Kanzlerschaft kaum
öffentlich geäußert und dies wolle er auch beibehalten. Der Ex-Kanzler
bekennt aber: "Es gibt mir Kraft, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die
ein festes Wertefundament besitzt, das neben dem humanistischen Erbe der
Aufklärung zu den Grundfesten unserer Gesellschaft gehört."



1990 habe er als Ministerpräsident für eine Verankerung des Gottesbezugs in der Verfassung des Landes Niedersachsen gefochten. Damals habe es eine breite öffentliche Diskussion gegeben. Darin habe er auf die enorme Bedeutung des Gottesbezugs für fest im Glauben stehende Menschen verwiesen. Auf den Zusatz zur Eidesformel "So wahr mir Gott helfe" habe er bei beiden Wahlen verzichtet: "Auch unter Christen ist ja umstritten, ob die Formel notwendig ist oder womöglich sogar gegen die Bergpredigt verstößt."

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Nichts ist schwieriger als eine Entscheidung für den Krieg"

Als Politiker habe er häufiger Dinge tun müssen, die von anderen als "böse" empfunden würden. Am schwersten gefallen seien ihm die Entscheidungen für die Militäraktionen im Kosovo und in Afghanistan: "Nichts ist schwieriger als die Entscheidung, jemanden in den Krieg zu schicken. So gesehen ist mir das Nein zum Irakkrieg politisch schwer, aber persönlich leicht gefallen."



Dabei habe er sich auch vor der Entscheidung der Intervention gefürchtet. Aber Schröder fügt zugleich hinzu: "Wäre ich nicht von der Richtigkeit der Intervention überzeugt gewesen, hätte ich sie nicht durchgesetzt." Zugleich sei die Entscheidung das Dilemma zwischen dem politischen Risiko, das er verantworten müsse, und dem persönlichen Risiko, das die Soldaten auf sich nähmen. Menschen in tödliche Gefahr zu bringen, habe ihm auch den Schlaf geraubt.

Wer gar nicht handelt, wird auch schuldig


Die wichtigste Regel für das gesellschaftliche Zusammenleben ist für Schröder das fünfte Gebot – andere Menschen nicht zu töten. Als Politiker habe er sich fragen müssen, wann ein Überschreiten der Grenze, die durch das Gebot gezogen wird, unabwendbar – und vor allem gerechtfertigt sei: "Das betrifft etwa die Todesstrafe, gegen die ich in jedem Staat bin, oder die existentielle Frage von Krieg und Frieden. Das betrifft auch die Tötung von Bin Laden. Das ist kein Anlass zur Freude, aber Verständnis für diese Ausnahmeentscheidung habe ich."



Weil Menschen gestorben sind und verletzt wurden, habe er natürlich Schuld auf sich geladen. Schröder ergänzt aber: "Ganz wichtig ist doch: Auch der, der nicht handelt, würde in dieser Situation Schuld auf sich laden, weil in Afghanistan Al-Kaida weiter gemordet hätte, weil im Kosovo Unschuldige vertrieben, vergewaltigt oder getötet worden wären. Dies wäre die Schuld unterlassener Hilfeleistung für bedrängte und gequälte Menschen."



Nie gebetet – auch nicht aus der Not heraus



Ein Problem sieht Schröder darin, wenn der Eindruck entsteht, dass politische Entscheidungen die Folge eines Gesprächs mit Gott seien: "Wer politische Entscheidungen so legitimiert, kann nicht zulassen, dass diese durch Kritik von anderen verändert werden. Dann gibt es keine Diskussion mehr darüber, ob eine bestimmte politische Entscheidung nun richtig oder falsch, vernünftig oder unvernünftig ist."

Während er das Amt des Bundeskanzlers innehatte, habe er im Amt nie gebetet – auch nicht aus der Not heraus: "Natürlich hatte ich Wünsche. Aber nie habe ich um Beistand von oben gebeten, diese verwirklichen zu helfen." Für die Wiederwahl als Kanzler habe er gekämpft und hart gearbeitet, "aber niemals gebetet".



Schröders Familie ist eine Patchwork-Familie, auch was die Religion betrifft: Schröder selbst ist Protestant, seine vierte Ehefrau Doris, die die Kinder erzieht, ist überzeugte Katholikin. Seine adoptierte Tochter wurde in Russland orthodox getauft. Der Sohn wurde in Deutschland katholisch getauft. Schröder selbst trat mit 19 Jahren in die SPD ein. Nach einer Ausbildung holte er sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach, studierte anschließend Jura und arbeitete als Rechtsanwalt. Von 1998 bis 2005 war er der siebte deutsche Bundeskanzler. (pro)

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