Schneider: Noch Klärungsbedarf mit Gott

"Ja ich habe mit Gott gehadert." Es sind offene Worte, die der amtierende Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, findet. In einem Interview in der aktuellen Ausgabe des "Focus" spricht der Theologe offen über den Tod seiner Tochter Meike, die mit 22 Jahren an Leukämie starb, seine Zweifel und den Umgang mit Sterbenden.
Von PRO

Der 63-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass er wegen des frühen Todes
von Meike noch Klärungsbedarf mit Gott verspürt. Die Phasen der
"Hoffnung und der Abstürze, das musste nicht sein". Wenn er vor Gottes
Angesicht stehe, "möchte ich das eines Tages selber klären", auch wenn
Gott noch viele Fragen an ihn habe.
Für den "Vollprofi und Repräsentanten der deutschen Christen", wie ihn der "Focus" nennt, sei der Verlust aber auch eine – schwer zu beschreibende – Gotteserfahrung gewesen. "Im Moment des Abschieds haben wir gespürt, dass selbst diese Situation nicht gottverlassen ist. Wir selbst konnten nichts mehr halten, wir haben nur überleben können, weil wir gehalten wurden."

Nicht nur ein schöner Gedanke, sondern eine reale Erfahrung

Das Gehaltenwerden sei nicht nur ein schöner Gedanke, sondern eine wahre Stütze und eine reale Erfahrung in seinem Leben gewesen, "die wir sonst nie erlebt hätten". Damit der Gedanke an seine Tochter lebendig bleibt, trägt Schneider stets eine wichtige Aufzeichnung von Meike mit einem Spruch von Hanns Dieter Hüsch bei sich.

Die Krankheit und die Auseinandersetzung mit dem Tod hätten dazu beigetragen, dass seine Tochter rasch zu einer reifen Frau geworden sei. Mit der Theologiestudentin sprach Schneider "auf Augenhöhe über Leben und Tod". Zur Erinnerung an die Tochter und die erlebte Grenzerfahrung pflegt er mit seiner Frau bestimmte Rituale: "Wir stellen Bilder von ihr auf und zünden Kerzen davor an." Zudem schneide das Ehepaar jeweils an Weihnachten einen geschmückten Zweig des Tannenbaums ab und bringe diesen zum Grab: "Dort singen und beten wir", erklärt Schneider.

Im Umgang mit Sterbenden ist es Schneider wichtig, zu ihnen und nicht über sie zu sprechen. Bei der eigenen Tochter, die zuletzt in ein künstliches Koma versetzt wurde, hätte die Familie bis zum Schluss mit ihr geredet und ihr vor allem in schlimmen Phasen vorgelesen.

Nikolaus Schneider ist seit 2003 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland. Im Oktober 2009 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Rates der EKD gewählt. Nach dem Rücktritt von Margot Käßmann übernahm Schneider zunächst kommissarisch den Ratsvorsitz. Seit dem 9. November ist er durch die Wahl der Synode auch offizieller Amtsinhaber und vertritt damit 24 Millionen deutsche Christen in der Öffentlichkeit. (pro)

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