Schleier machen die Gesellschaft düster, nicht bunt

Politiker wie Jens Spahn fordern ein Verbot der islamischen Gesichtsverschleierung in Deutschland. Gut so: Auch eine tolerante Gesellschaft muss sich nicht alles zumuten lassen. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
Eine Frau mit dem Gesichtsschleier Nikab, gesehen im August in Leipzig
In der Debatte um ein Verbot der islamischen Vollverschleierung von Frauen in Deutschland gibt es gute und schlechte Argumente. Wer Burka und Nikab verbieten wolle, der müsse auch Nikolauskostüme verbieten, tönte am Donnerstag Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). Eine absurde Aussage, die eine kurzzeitige Verkleidung mit einer permanenten Vermummung im öffentlichen Raum gleichsetzt. Die Autorin Birgit Kelle lehnt ein Verbot ebenfalls ab, argumentiert aber klüger: „In einem freien Land müssen wir auch hinnehmen, dass sich Menschen in unseren Augen selbst schaden, ihr Lebenspotential vergeuden oder völlig verblendet sind. In einem freien Land darf man das“, schreibt sie bei Focus Online. Es sei nicht die Sache des Staates, in private Entscheidungen seiner Bürger einzugreifen. Die ehemalige baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) lehnt ein Verbot ab, sagt aber: „Auch in einer liberalen Gesellschaft existiert eine gewisse Konformität; und die Burka passt dazu nicht.“ Eine liberale Gesellschaft halte viel aus, „aber wie liberal sind wir“? Bei dieser Frage setzt auch der CDU-Staatssekretär Jens Spahn an, der ein Verbot unterstützt. Es stimme, dass man in der freien Gesellschaft Meinungen, Kleidungen und Ausdrucksformen tolerieren müsse, auch wenn sie einem missfallen, schreibt er in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Aber: „In dem Moment, in dem ich auf die Straße trete und damit automatisch meine Freiheit die Freiheit und Erwartungen der anderen tangiert, gelten Regeln, (…) die dieses Zusammenleben strukturieren.“ Aus diesem Grund werde auch das Nacktsein im öffentlichen Raum sanktioniert.

Eine tolerante Gesellschaft muss sich nicht alles zumuten lassen

Dass Spahn Recht hat, zeigt ein Fall aus Essen, der seit zwei Jahren die Gemüter erregt. Als dort eine muslimische Mutter ihren Sohn aus der Schule abholen wollte, erschien sie mit Nikab – einem schwarzen Gesichtschleier, der nur einen Schlitz für die Augen freilässt. Kinder hätten vor Schreck zu weinen begonnen, und sogar muslimische Mütter mit Kopftuch hätten damit gedroht, ihre Kinder von der Schule abzumelden, berichtete die Rektorin. Seitdem verlangt die Schule von der Muslima, den Gesichtsschleier abzulegen, wenn sie das Schulgelände betritt. Alice Schwarzer lobte die Schulleiterin übrigens als „beispielhaft“. In einer liberalen und vielfältigen Demokratie treten Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen unterschiedlich auf. Das ist als Erkennungszeichen einer offenen Gesellschaft zu begrüßen. Durch die Vollverschleierung aber wird Deutschland nicht offener und vielseitiger, wie oft gefordert, sondern rückständiger und anonymer. Die Trägerin isoliert sich weitestgehend von der nonverbalen zwischenmenschlichen Kommunikation und damit auch vom gesellschaftlichen Miteinander. Und ihr Gegenüber wird mit einem Anblick konfrontiert, den der Betrachter verstörend finden darf – ohne gleich als xenophob zu gelten. Dass unsere Gesellschaft tolerant ist, bedeutet nicht, dass sie sich alles zumuten lassen muss. Auch, wenn Verfassungsrechtler geteilter Meinung darüber sind, ob ein Verbot der Vollverschleierung durchsetzbar wäre, ist es legitim, ein solches Verbot anzustreben. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/burka-verbot-wie-viel-verschleierung-soll-es-sein-97168/
https://www.pro-medienmagazin.de/kultur/buecher/detailansicht/aktuell/plaedoyer-fuer-echte-toleranz-93287/
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen