Schirrmacher vor Bundestagsausschuss: Medien fördern Religionskämpfe

Die Medien schlagen Kapital aus den Spannungen zwischen den Religionen, findet Thomas Schirrmacher, Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz. Gemeinsam mit anderen Sachverständigen, wie dem Autor Navid Kermani, sprach er am Mittwoch vor dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags. Seine Kritik begründete er mit der Berichterstattung über den radikalen amerikanischen Pastor Terry Jones. Im September wollte dieser öffentlich einen Koran verbrennen.

Von PRO

Die Medien seien einer der größten Störfaktoren, wenn es um die Gleichstellung der Religionen gehe, sagte Schirrmacher bei der Sitzung zum Thema "Religionsfreiheit und europäische Identität". Wer etwa eine geplante Koranverbrennung ständig zum Thema mache, trage nicht zum Religionsfrieden bei. "Ob sich Religionsfreiheit durchsetzt, wird auch eine Frage der Medienberichterstattung sein", erklärte Schirrmacher.

Allianz: "Ohne Wenn und Aber für Religionsfreiheit"

Er sei der Meinung, "dass es um unsere Religionsfreiheit nicht ganz so gut steht", sagte Schirrmacher mit Verweis auf EU-Länder wie Griechenland, das die Muslime unterdrücke oder die Türkei, wo Christen benachteiligt seien. Religionsfreiheit sei kulturelles Erbe der Christen, aber auch der europäischen Atheisten und Humanisten. Der Islam und die orthodoxen Christen hingegen hätten nach wie vor grundsätzliche Probleme mit dem Thema Religionsfreiheit. Sie seien neu in das "Gesamtprojekt Europa" hineingekommen und zwar aus Ländern, die nicht von Religionsfreiheit geprägt gewesen seien. Ihnen fehle die positive Erfahrung mit freier Religionsausübung. Daher nähmen diese Glaubensrichtungen das Menschenrecht als einengend statt stärkend wahr. "Die Evangelische Allianz steht ohne Wenn und Aber für Religionsfreiheit", stellte Schirrmacher vor prominenten Zuhörern, wie der Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach, oder Grünen-Geschäftsführer Volker Beck klar. Die Muslime in Deutschland forderte er dazu auf, sich klar gegen Gewalt auszusprechen.

Neben Schirrmacher sprach auch der Orientalist und Buchautor Navid Kermani vor den Politikern. Der säkulare Charakter und die "radikale Offenheit" seien das "Wesensmerkmal und Erfolgsgeheimnis des Projektes Europa", sagte er. Dennoch störe es ihn keineswegs, dass Deutschland sich auch weiterhin als christlich verstehe. Als problematisch betrachte er, dass viele türkische Einwanderer nicht genügend integriert seien. Dieser Zustand sei aber nicht "Gott-gegeben", sondern veränderbar. Aus diesem Grund forderte er eine stärkere integrative Arbeit an Schulen und anderen staatlichen Einrichtungen. Den Islam selbst sieht Kermani nicht als Antithese zur Religionsfreiheit: "Wenn jemand religiöse Schwingungen hat, und die habe ich, ich bin ein echter Muslim, der hat in der Regel weniger Probleme damit, dass andere ihre Religion ebenso vertreten."

Auf die Frage zum Verhältnis zwischen Religions- und Meinungsfreiheit sagte Kermani, Muslime müssten es beispielsweise aushalten können, wenn der Prophet Mohammed karikiert werde, wie in einer Ausgabe der dänischen Zeitung "Jyllands Posten" aus dem Jahr 2005. Etwas anderes aber sei es, wenn solche Publikationen Preise für ihre Karikaturen erhielten. "Das ist eine kulturelle Bewertung", kitisierte Kermani. Der Karikaturist Kurt Westergaard wurde in Deutschland mehrmals für seine Mohammed-Zeichnungen und das damit verbundene Eintreten für die Pressefreiheit geehrt.

"In einer freien Gesellschaft ist nichts tabu!"

Auch der UN-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, Heiner Bielefeldt, griff das Thema Karikaturenstreit auf. "Religionsfreiheit und Medienfreiheit gehen Hand in Hand", sagte er. Jedes Thema müsse offen in den Medien diskutiert werden dürfen. "In einer freien Gesellschaft ist nichts tabu", sagte er. Religionsfreiheit bedeute nicht etwa, dass eine Religion an sich geschützt werde. "Es geht um die Würde und Freiheit des Menschen", erklärte Bielefeldt. Das betreffe Christen und Muslime ebenso wie Atheisten oder die Anhänger von Sekten. Gläubigen müsse es möglich sein, ihre Überzeugung öffentlich auszuleben, auch, wenn sie missionierten. Den Gläubigen dürfe ihr Wahrheitsanspruch nicht streitig gemacht werden. Wichtig sei aber, dass es niemals einen staatlichen Zwang zu einer Religion gebe. (pro)

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