Schirrmacher: Kein Dialog auf Augenhöhe

Die Christenverfolgung in islamischen Ländern nimmt zu. Der Umgang mit den Christen hängt stark von der politischen Stabilität des jeweiligen Landes ab. Diese Auffassung vertritt die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher vom Institut für Islamfragen. Sie bemängelt, dass ein Dialog beider Seiten nicht von der Gleichwertigkeit der Dialogpartner ausgeht.
Von PRO

Wie glaubwürdig das Eintreten für Glaubens- und Meinungsfreiheit ist, zeige sich aus Schirrmachers Sicht dort, wo die Anhänger der jeweiligen Religion die Mehrheit und nicht die Minderheit stellten. Je mehr Staaten ihren islamischen Charakter betonten, „desto stärker werden zwangsläufig Christen ausgegrenzt und diskriminiert“.

Wie Ungläubige bekämpfen

Die wechselvolle Beziehung von Muslimen zu den christlichen Minderheiten sieht die Wissenschaftlerin bereits im Leben Mohammeds angelegt. Als viele Christen und Juden Mohammed nicht als Propheten anerkennen wollten, wurde der Ton in der Auseinandersetzung schärfer. Christen hätten die Schriften dort verfälscht, wo sie dem Koran und dem Anspruch Mohammeds widersprechen. Den Juden warf der Prophet Illoyalität vor, den Christen Vielgötterei. Heutige Islamisten duldeten Andersgläubige bestenfalls unter bestimmten Auflagen. Falls sie die islamische Vorherrschaft infrage stellten, müssten sie wie die Ungläubigen bekämpft werden.

Bis heute herrsche die Meinung unter islamischen Gelehrten vor, dass Christen eine unterwürfige Haltung gegenüber dem Islam einnehmen und die Gefühle der Muslime durch ihr Auftreten in keiner Weise verletzen dürften. Schirrmacher spricht hier von einem „äußerst effektives System indirekten Zwangs“. Viele Menschen seien zum Islam konvertiert, um der finanziellen Benachteiligung, politischen Diskriminierung und sozialen Marginalisierung zu entgehen.

Es wirkt bis heute nach

In einem Abkommen aus dem 7. Jahrhundert hätten sich Christen verpflichtet, in den von Muslimen eroberten Gebieten, „auf den Bau weiterer Kirchen und Klöstern sowie die Instandsetzung baufälliger Kirchen in muslimischen Wohnvierteln zu verzichten, ihren Glauben nicht mehr öffentlich zu bezeugen, ihre Kreuze auf den von Muslimen frequentierten Straßen und Plätzen zu verbergen und ihre Stimme in der Gegenwart von Muslimen zu dämpfen“. Dies wirke bis heute nach.

Es habe auch vergleichsweise tolerante Phasen des Umgangs muslimischer Herrscher mit ihren christlichen Untertanen gegeben. Diese hätten aber nicht den Überlegenheits- und Herrschaftsanspruch beseitigt. Christen hätten häufig den Status Bürger zweiter Klasse ab. Diesen Anspruch nutzten sie, „um ganze Dörfer oder Städte von den ‚ungläubigen‘ Christen zu ‚reinigen’". In Ländern, in denen islamistische Kräfte durch Wahlen an die Macht gekommen sind, führt die Rückbesinnung auf den Islam „zu einer schrittweisen und systematischen Diskriminierung von Christen in allen Bereichen der Gesellschaft“.

Werbung für den christlichen Glauben sei in den meisten islamischen Ländern strengstens verboten oder durch polizeiliches Eingreifen und Einschüchterung unterbunden. Eine Mehrheit der muslimischen Rechtsgelehrten gehe bis heute davon aus, dass die Abwendung vom Islam als Verrat an Staat und Gesellschaft mit dem Tod bestraft werden muss. „Folglich gibt es für sie auch keinen Grund, Christen in islamisch dominierten Gesellschaften die Freiheit zu geben, ihren Glauben öffentlich und damit auch in der Begegnung und dem Gespräch mit Muslimen zu leben und zu bezeugen – Freiheiten, wie sie dieselben Gelehrten und Aktivisten selbstverständlich für muslimische Minderheiten in westlichen Ländern fordern“, meint Schirrmacher.

Interreligiöser Dialog ad absurdum geführt

Der in Ägypten populäre Fernsehprediger Yusuf al-Qaradawi sei ein Beispiel dafür, wie für staatliche Verantwortungsträger Christen geradezu verteufeln würden. In seinen Predigten warne er vor einer christlichen Invasion, der „teuflischen Trinität“ zionistischer, christlicher und atheistischer Mächte. In Saudi-Arabien habe der Großmufti Scheich Abdul-Aziz bin Abdullah, die höchste religiöse Autorität des Landes, in einem Rechtsgutachten zur Zerstörung aller Kirchen auf der Arabischen Halbinsel aufgerufen. Verwiesen habe er dabei auf Mohammed, der gesagt haben soll, dass es keine zwei Religionen gleichzeitig in der Region geben dürfe.

Vor dem Hintergrund solcher Propaganda und der Tatsache, dass es in Saudi Arabien bis heute weder Kirchen noch Synagogen gebe und jedes öffentliche Bekenntnis zum christlichen Glauben oder das sichtbare Mitführen einer Bibel unter Strafe stehe, erscheine die feierliche Einweihung eines nach dem saudischen König Abdullah benannten Internationalen Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien im November 2012 vollkommen unverständlich, bilanziert Schirrmacher. (pro)

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