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Scharia in Deutschland?

Deutsche Gerichte wenden in Familien- und Erbrechtsfällen die Scharia an. Dies meldete der "Spiegel" in seiner jüngsten Ausgabe. Demnach berufen sich deutsche Richter immer wieder auf das islamische Recht. "Das ist einerseits nachvollziehbar, meines Erachtens wirkt es aber auch integrationshemmend", kommentiert die Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher dieses Vorgehen gegenüber pro.
Von PRO

Foto: privat

"Wir praktizieren islamisches Recht seit Jahren. Und das ist auch gut so", zitiert der "Spiegel" den Professor für ausländisches Privatrecht an der Universität Köln, Hilmar Krüger. Vor allem im Familien- und Erbrecht fänden Normen der Scharia Anwendung. "Eigentlich müsste es heißen: Bei ausländischen Staatsangehörigen kommt im Familien- und Erbrecht das im Herkunftsland geltende Recht zur Anwendung", erläutert Christine Schirrmacher. "Und das ist in allen arabischen Staaten von der Scharia geprägt." Die 48-Jährige lehrt unter anderem an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Leuven/Belgien und engagiert sich für Menschenrechte in islamischen Ländern.

In Deutschland werden zum Beispiel Jordanier nach jordanischem Recht verheiratet und geschieden, so der "Spiegel". Und sogar Frauen, die in ihrem Herkunftsland rechtmäßig eine polygame Ehe eingehen, können in Deutschland Ansprüche geltend machen: Unterhaltszahlungen, vom Ehemann erworbene Anrechte auf Sozialleistungen und einen Teil des Erbes. Als Beispiel nannte das Magazin die Klage einer Marokkanerin, die vom Bundessozialgericht mit dem Verweis auf islamisches Recht abgewiesen wurde. Die Witwe hatte sich geweigert, die Rente ihres Mannes mit der Zweitfrau zu teilen. Beiden Gattinnen stehe der gleiche Rentenanteil zu, betonten die Richter.

"Der Grundgedanke der Anwendung ausländischen Rechts ist einerseits nachvollziehbar: Beide Beteiligten sind ausländische Staatsbürger, halten sich also nur vorübergehend in Deutschland auf", erläutert Christine Schirrmacher. "Allerdings sieht unsere Migrationsgeschichte anders aus: Viele Menschen leben hier seit Jahrzehnten, und nicht nur vorübergehend. Da wirkt es meines Erachtens doch integrationshemmend, wenn jemand nach 35 Jahren in Deutschland im Zivilrecht immer noch nach Heimatrecht beurteilt wird."

Als "Ausdruck der Globalisierung" bezeichnete der Erlanger Jurist und Islamwissenschaftler Matthias Rohe wiederum das Nebeneinander verschiedener Rechtsvorstellungen. "Wir wenden islamisches Recht genauso an wie französisches." Das deutsche Recht ließe solche Normen gelten, schreibt das Magazin,  solange sie nicht der öffentlichen Ordnung und den Grundrechten zuwiderliefen. Zwangsehen und Steinigungen seien deshalb verboten. "Das kann trotzdem zu Konflikten führen", wendet Schirrmacher gegenüber pro ein. "Beispielsweise in der Frage, ob eine Ehefrau ‚maßvoll‘ gezüchtigt werden darf, wie es das Familienrecht vieler arabischer Staaten zumindest duldet. Oder im Erbrecht, das nach klassischem arabischen Recht Söhnen immer das doppelte Erbe zukommen lässt und Töchter benachteiligt." Da entstehe dann durchaus der Eindruck des doppelten Rechtsstandards. (pro)

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