Satansanrufung auf ProSieben

Normalerweise fesseln Zauberkünstler ihr Publikum mit Tricks, die nichts anderes als eben das sein wollen. Niemand würde eine David Copperfield-Show deswegen langweiliger finden, weil er weiß, dass alles auf ausgeklügelten Mechanismen oder Fingerfertigkeit beruht. Anders bei der Show "The next Uri Geller", dort nervt besonders der Anspruch der Zauberer, wirklich übersinnliche Fähigkeiten zu haben. Am gestrigen Dienstagabend übertrat ein "Mentalist" eine Grenze - er rief den Satan selbst an.
Von PRO

Hat denn der britisch-israelische Zauberer immer noch niemanden gefunden, der ihn nach seiner Pension würdevoll vertritt?, wird sich mancher fragen, der immer noch von der Sendung „The next Uri Geller“ in der Programmzeitschrift liest. Nachdem Geller bereits in Israel, den USA, Holland, Ungarn und Deutschland seinen Nachfolger zu suchen vorgab, ist der Posten nach wie vor vakant. Seit Januar hilft ProSieben erneut bei den Vorstellungsgesprächen. Live vor dem Publikum im Saal und vor Fernsehzuschauern lässt der mehrfach entlarvte Löffelverbieger wieder sechs dunkle Gestalten auftreten, die ihren Mumpitz im 21. Jahrhundert als wahre Magie verkaufen sollen. Die Einschaltquoten sinken dramatisch – doch ProSieben hält an Uri fest.

Der Konkurrenzsender SUPER RTL sendet seit langem parallel zur Sendezeit von „The next Uri Geller“ eine Serie, in der Zauberkünstler alle Tricks haargenau erklären. Peinlich für ProSieben, erfreulich für SUPER RTL: die Sendung hat mittlerweile fast genauso viele Zuschauer wie Uri Gellers Live-Show.

Klar, dass ProSieben immer mehr bieten muss. Gedankenlesen kennen wir mittlerweile. In einer der letzten Shows war eine Künstlerin namens „Amila“ in einem versiegelten Wasserbassin fast ertrunken, weil ihr Trick nicht wie gewollt funktionierte, pardon: weil ihre mentalen Fähigkeiten an diesem Tag nicht aufgeladen waren. Der Gewinner der ersten Staffel übrigens, Vincent Raven, der weismachen wollte, er könne mit seinem Raben „Corax“ (von dem es übrigens drei Exemplare gibt) Kontakt zur Totenwelt aufnehmen, wäre fast selbst in eben diese geraten. Mit einem Hirnschlag musste der Zauberer vor kurzem ins Krankenhaus gebracht werden.

Hebräisch als Zaubersprache

In der gestrigen Folge von „The next Uri Geller“ musste konsequentermaßen eine neue Grenze überschritten werden. Wie gewohnt spricht Uri Geller von Energien, alles bleibt sehr diffus. Wie Zauberkünstler und Gaukler seit Jahrhunderten auf Jahrmärkten Glaskugeln hervorkramen oder mit Toten zu sprechen scheinen, fesseln auch im Jahr 2009 ProSieben-Magier ihr Publikum. Dass die meisten dabei aussehen wie Turniertänzer oder drittklassige Alleinunterhalter, reißt entweder nur wirklich einfältige Gemüter vom Hocker – oder trägt zur abendlichen Belustigung derer bei, die nichts anderes im TV-Programm gefunden haben.

„Achad Shtaim Shalosh“ – Uri Gellers Pseudo-Zauberformel wird dem Fernsehzuschauer mittlerweile sogar am unteren Bildrand eingeblendet. Zum Mitsprechen. Bleibt die Frage, wieviele wissen, dass das lediglich „1, 2, 3“ auf Hebräisch bedeutet. Wie bitterernst die Mentalisten in Glitzeranzug ihr Handwerk allerdings erachtet sehen wollen, ist jeden Abend in den Gesichtern der prominenten Gäste zu sehen. Versteinert, manche wie unter Schock, die Hände vor dem Gesicht, betrachten sie die Tricks aus direkter Nähe. Ihr Erstaunen scheint nicht gespielt zu sein.

Ob viele der Mentalisten nach ihrem Fernsehauftritt auch privat aufgesucht werden, weil Verzweifelte Kontakt zu ihren verstorbenen Liebsten aufnehmen wollen oder sich sonstige Hilfe in Not erhoffen? Fest steht: niemand der Künstler gibt auch nur andeutungsweise zu verstehen, dass ihr Handwerk vollständig irdischer Natur ist und jeder ihrer Tricks gegen bare Münze von Händlern gekauft wurde. David Copperfield soll allein drei Helfer haben, die dafür bezahlt werden, Gauklertricks für ihn zu suchen – und anschließend die Klappe zu halten.

Der Schamane Waayatan etwa behauptete am Dienstagabend erneut, die geistigen Fähigkeiten seiner Urahnen übernommen zu haben. Geller pflichtet ihm bei – „Heute Abend hast Du mich endgültig überzeugt, dass Du wirklich mentale Kräfte hast.“ Unverantwortlich, wenn man bedenkt, dass es wohl niemandem im Saal gibt, der besser als Geller wüsste, wie die Tricks funktionieren.

Satanisten-Hokuspokus zum Mitmachen

Moderator Stefan Gödde preist den Abend mit den Worten an: „Wir lernen hier jede Woche was dazu.“ Der britische Magier ermutigt die wenigen verbliebenen Zuschauer vor den Fernsehern auch an diesem Abend immer wieder: „Heute werden Gedankenwellen Zeit und Raum überwinden, Sie zu Hause werden es spüren – Sie können es glauben oder nicht“, „Macht alle mit!“

Dass die Fernsehzuschauer beim letzten Kandidaten des gestrigen Abends nicht allzu ernst mitgemacht haben, können wir nur hoffen. Der 47-jährige gelernte Werkzeugmacher Ulrich Loup wird angekündigt als „der bizarre Selenwanderer“. Mit 14 Jahren entschloss sich Loup, Illusionist zu werden, klärt Wikipedia auf. Er war in Berlin und Los Angeles als Bühnenmagier tätig. Die Chance bei Uri Geller nutzte er, in dem er den Teufel selbst anrief. „Ich zeige euch die dunkle Seite des Lebens“, kündigt er in der Vorstellungsrunde an.

Der Mann trägt selbsterklärend einen schwarzen Umhang – im Trainingsanzug ließe es sich auch schlecht mentalisieren – und äfft ein wenig den verstorbenen Ausnahmeschauspieler Klaus Kinski nach. Das „Psycho-Gesicht“ (Jana Ina) veranstaltet ein Brimborium, als wenn er gleich das gesamte Publikum mit Hilfe der Hölle wegzaubern wolle. Am Ende ist es ein simpler Trick mit Papierkugeln, doch auch die prominenten Gäste sind etwas schockiert.

Beim „Ritual“ erklimmt die Musik ihren dramatischen Höhepunkt, und Ully ruft „die Kronprinzen der Hölle „an. Satan, Luzifer, Belial und Leviathan, das volle Programm. Er sagt noch etwas von „Shem ha forasch“ (ein hebräischer Ausdruck für Gott) und der Herr der Finsternis hat offenbar gehorcht. Was war seine Aufgabe? Bunte Papierkügelchen in ein kitschiges Herz aus Glas verwandeln. Das Publikum ist pflichterfüllend begeistert.

Gast warnt: „Vorsicht…“

Wo für viele Christen der Spaß aufhört, fängt Uri Gellers Lob erst richtig an. Ully aus Jülich habe die Zuschauer mit seinen „dunklen Kräften höllisch erschreckt“. Kurz noch Schleichwerbung gemacht für den Blackberry – denn auf dem werden sich mit Sicherheit viele Zuschauer bei Uri melden, ist er sich sicher – und die Telefonnummern können freigeschaltet werden.

Die prominenten Gäste sind etwas erschrocken, dass man live vor einem Millionenpublikum eine nette kleine Satansanbetung veranstalten kann. Giulia Siegel, die Tochter des Musikproduzenten Ralph Siegel, gibt zu: Sie bekam Angst, als die finsteren Mächte angerufen wurden. „Ich hätte nicht gewollt, dass die hier auftauchen. Und es war kurz davor, glaube ich.“

Ingo Naujoks, talentierter Schauspieler und damit wie die Magier vom Fach, fügt dem hinzu: „Das ist das Problem, wenn man Showgeschäft und Ernsthaftigkeit in einer so präzisen Art und Weise zusammenbringt, dass man wirklich nicht weiß, ob man’s erlauben soll, dass solche Namen wie Satan und Luzifer aufgerufen werden und man selber im Mittelpunkt steht.“ Warnend fügt er hinzu: „Vorsicht…“ (PRO)

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