Beispielhaft nennt der Autor die Geschichte der 16-jährigen Hilal, die seit etlichen Monaten spurlos verschwunden ist. Weil ihr Interesse am radikalen Islam wuchs, vermutet ihr Umfeld, dass sie in den Bann des Salafismus geraten ist. Für die Experten, die in dem Artikel zu Wort kommen, steht fest, dass junge Menschen vor dem radikalen Islam geschützt werden müssen, noch bevor die extremistische Ideologie ihren Verstand vergiftet habe.
Eltern, Freunde und soziales Umfeld aufklären
Die Präventionsarbeit in Deutschland stecke noch in den Kinderschuhen. Bisherige Plakataktionen in den Bundesländern wurden von Kritikern als "unsensibel" und "ineffektiv" verspottet. Mehrere muslimische Verbände fühlten sich diffamiert. Kritik erntete auch eine Informationsbroschüre des Verfassungsschutzes, die im Juni vorgestellt wurde. Als Manko wurde erachtet, dass viele Muslime mit Polizei, Verfassungsschutz und Innenministerium staatliche Überwachung und Stigmatisierung verbänden.
Der Zuwachs in der salafistischen Szene konnte bisher kaum verhindert werden. Der Fokus der Aufklärung liege auf den Eltern, den Freunden und dem weiteren sozialen Umfeld der Betroffen. Dort gelte es über die Gefahren des Extremismus aufzuklären. "Viele haben Angst, ihr Kind komplett an die islamistische Szene zu verlieren", schreibt Flade. Das salafistische Weltbild sei von einfachen Denkmustern geprägt: Im Kampf Gut gegen Böse gehe es vor allem um orientierungslose Teenager, die Halt und Anerkennung suchten.
Wahre Front verläuft im Klassenzimmer
Zugleich etabliert sich damit eine neue Jugend-Subkultur. Der Islamismus-Experte Ahmad Mansour von der "European Foundation for Democracy" glaubt, dass die wahre Front im Kampf gegen den religiösen Extremismus im Klassenzimmer verlaufe. Aus seiner Sicht müssten besonders Lehrer und Sozialarbeiter in den sozialen Brennpunkten, verstärkt für den islamischen Extremismus zu sensibilisiert werden. Zu häufig werde radikales Gedankengut, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit muslimischer Schüler aus Unwissenheit oder Angst toleriert oder als kulturelle Differenz verklärt. In vielen Familien werde zudem das kritische Denken nicht gefördert.
Der Berliner Soziologe Phillip Holtmann sieht einen weiteren Ansatzpunkt in der Schaffung von Alternativangeboten im Internet. "Im Gegensatz zu den traditionellen Moscheevereinen und Verbänden, wissen Salafisten sehr genau um die Macht des Internets", sagt Holtmann der "Welt". "Dort muss es moderate Alternativen geben. Google ist voll von Salafismus." Aus Mansours Sicht sei die Hauptaufgabe für die Zukunft, die "einfachen Botschaften in jugendgerechter Sprache, die Aufwertung der eigenen Identität, die klaren Feindbilder und die Opferrolle als Muslime" zu entlarven. Hinter dem Salafismus verberge sich nämlich eine "äußerst flache Theologie". (pro)