Sänger Muhabbet unter Islamismus-Verdacht

F r a n k f u r t / M a i n (PRO) - Es steht Aussage gegen Aussage. Die bekannte und preisgekrönte Fernsehjournalistin des Hessischen Rundfunks (HR), Ester Schapira, hat angebliche islamistische Äußerungen des deutsch-türkischen Sängers Muhabbet bekannt gemacht. Dieser wies in den ARD-"Tagesthemen" die Vorwürfe zurück. Der 23-Jährige hatte vor Kurzem mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ein gemeinsames Lied für die Integration aufgenommen.
Von PRO

Es war eine öffentlichkeitswirksame Aktion: Am Montag hatte Muhabbet, der mit richtigem Namen Murat Ersen heißt, in den Räumen des Musiklabels „Plak Music“ (Berlin-Neukölln) gemeinsam mit Außenminister Steinmeier und dessen französischem Kollegen Bernhard Kouchner ein Lied zum Thema Integration gesungen und aufgenommen. Kurz danach wurden Vorwürfe gegen Muhabbet bekannt.

Sie kommen von Ester Schapira, Ressortleiterin der TV-Abteilung Zeitgeschichte des Hessischen Rundfunks. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Kamil Taylan produzierte sie den Dokumentarfilm „Der Tag, an dem Theo van Gogh ermordet wurde“. Dieser Film wurde anlässlich des „Prix Europa“ am 20. Oktober mit einem Preis ausgezeichnet. Die Dokumentation handelt von der Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh im Jahr 2004, der seinerzeit den islamkritischen Film „Submission“ gedreht hatte. Bei der Veranstaltung wurde auch ein Zusammenschnitt von Schapiras Film gezeigt.

Der „Prix Europa“ wurde mit einem Lied von Muhabbet eröffnet, außerdem überreichte der Sänger einen der Preise, die verliehen wurden. Auf der Party nach der Show sei Muhabbet „ziemlich aufgebracht“ auf die TV-Journalistin zugekommen und habe gesagt: „Theo van Gogh hat noch Glück gehabt, dass er so schnell gestorben ist. Ich hätte ihn in den Keller gesperrt und gefoltert.“ Außerdem hätte auch die Islamkritikerin Ayan Hirsi Ali den Tod verdient. Nach diesen Äußerungen seien alle Umstehenden „erstmal wie erstarrt“ gewesen, berichtete Schapira in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Ihr Kollege Kamil Taylan, ebenfalls Deutsch-Türke, sei Zeuge dieses Gesprächs gewesen. Er habe den Rapper direkt angesprochen „Junge, spinnst Du?“ und die Antwort erhalten: „Nein, das meine ich völlig ernst“.

Ayan Hirsi Ali, geboren 1969, ist eine niederländische Politikerin und Frauenrechtlerin. Neben zahlreichen islamkritischen Veröffentlichungen hatte sie auch das Drehbuch zu van Goghs Film geschrieben. Seit September 2002 erhält Ayan Hirsi Ali Morddrohungen, daher steht sie seit Jahren unter Polizeischutz. Grund dafür ist auch ein Drohbrief, der mit einem Messer auf der Brust des ermordeten Regisseurs steckte.

Muhabbet soll klarstellen, „ob es ein Affekt war“

Schapira habe daraufhin nach eigenen Angaben den Kontakt zu Muhabbets Manager gesucht und diesem eine DVD ihres Films zukommen lassen, in der Hoffnung, der Sänger möge von seiner Aussage Abstand nehmen. Aber weder Musiker noch Manager hätten darauf reagiert, so Schapira. Daraufhin habe sie sich entschlossen, die Informationen an die Öffentlichkeit zu geben. Dies berichtete „Spiegel Online“, dessen Redakteure den Mailwechsel zwischen Schapira und Muhabbets Manager, Jochen Kühling, eingesehen haben.

Gegenüber der „FAZ“ sagte Schapira, sie hätte von sich aus die Aussagen Muhabbets nicht in die Öffentlichkeit getragen, „wenn Muhabbet nicht selbst mit dieser PR-Aktion“ – gemeint ist der gemeinsame Auftritt des Rappers mit Steinmeier und dem französischen Außenminister Kouchner – „den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hätte“. „Andererseits habe ich das auch nicht als eine rein private Situation gesehen, weil mir klar war, dass es sich bei Muhabbet um jemanden handelt, der Vorbildfunktion in seiner Szene hat.“ Jetzt sei die Reihe an Muhabbet, „klarzustellen, ob es ein Affekt war“. In den ARD-„Tagesthemen“ hatte der Rapper die Vorwürfe mit den Worten zurückgewiesen: „Ich finde jeden Mordaufruf katastrophal und würde mich dagegenstellen“.

Musterbeispiel für Integration

Außenminister Steinmeier hat gegenüber der „FAZ“ den Verdacht zurückgewiesen, das Auswärtige Amt arbeite mit einem islamischen Fundamentalisten zusammen. Er habe keine Anhaltspunkte für das, was dem Sänger vorgeworfen worden sei, sagte Steinmeier im ARD-„Morgenmagazin“. Muhabbet habe sich immer gegen Gewalt ausgesprochen und für Integration, für deutsch-türkische Zusammenarbeit, so der Außenminister. „Ich hätte mir gewünscht, dass man sich vielleicht konkret mit dem beschäftigt hätte, was Herr Muhabbet in den letzten zwei Jahren gemacht hat.“ Der aus der Türkei stammende Deutsche sei „bei vielen Kooperationsprojekten“ mit der Bundesregierung dabei gewesen. In dem Zusammenhang bat der Minister Esther Schapira um „etwas mehr Zurückhaltung und etwas mehr Sorgfalt bei der Recherche“.

Der deutsch-türkische Sänger Muhabbet galt bisher als Musterbeispiel für deutsch-türkische Integration. Im vergangenen Jahr begleitete er Steinmeier auf einer Türkeireise und war zu Gast bei der Weihnachtsfeier im Auswärtigen Amt. Außerdem ist er auf Veranstaltungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Unicef-Botschafter aufgetreten und engagiert sich als Partner der Anti-Gewalt-Kampagne „Schau nicht weg“ der Jugendzeitschrift „Bravo“.

Esther Schapira bleibt trotzdem bei ihrer Aussage: „Ich sage das auch unter Eid aus, wenn es gewünscht ist“, sagte sie gegenüber der Onlineausgabe der „FAZ“. „Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass es so passiert ist.“

Die jüdische Journalistin ist seit 1995 Redakteurin für Politik und Gesellschaft und Ressortleiterin der Abteilung Zeitgeschichte beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks. Ihre Filme wurden unter anderem mit dem Deutschen Kritikerpreis (1996) und dem Rias Fernsehpreis (1995) ausgezeichnet.

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