Sächsische Zeitung will künftig Nationalitäten von Straftätern benennen
Die Sächsische Zeitung hat erklärt, entgegen den Richtlinien des Pressekodex künftig die Nationalitäten von Tätern bei Kriminalfällen zu benennen. So solle das Vertrauen in die Berichterstattung gewahrt werden.
Das Verlagshaus der Sächsischen Zeitung in Dresden
Wenn die Sächsische Zeitung über Kriminalfälle berichtet, will sie künftig grundsätzlich die Nationalität des Verdächtigen nennen, sofern diese bekannt ist. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob der Verdächtige Deutscher oder Ausländer sei. Das teilte die Zeitung am Freitag mit. In einer Erklärung räumt das Blatt ein, dass der Pressekodex des Deutschen Presserats anderes vorsieht. Dort heißt es laut Ziffer 12.1: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachzusammenhang besteht.“
Der Sächsischen Zeitung liege es am Herzen, die überwiegende Mehrheit der nicht kriminellen Flüchtlinge in ihrem Verbreitungsgebiet zu schützen und sie vor Diskriminierung zu bewahren, schreibt der Journalist Oliver Reinhard. „Dennoch haben wir uns gefragt: Trägt die Richtlinie des Pressekodex in der gegenwärtigen Situation in Dresden und Sachsen auch wirklich zum Schutz von Minderheiten bei?“ Viele Mitarbeiter der Zeitung seien vom Gegenteil überzeugt: „Gerade das Nichtnennen der Nationalität von Straftätern und Verdächtigen kann Raum für Gerüchte schaffen, die häufig genau denen schaden, die wir doch schützen möchten.“ Auch eine Mehrheit der Leser befürworte die Nennung der Nationalität. Die Argumentation der Zeitung lautet also, dass das Verschweigen der Nationalität Raum lässt für die Spekulation, hinter Straftaten automatisch Ausländer zu vermuten. Damit wäre das Gegenteil dessen erreicht, was der Pressekodex eigentlich beabsichtigt hatte.
Vertrauen Konsumenten noch den Medien?
Besagte Leserbefragung war auch ein Motiv für die Entscheidung der Sächsischen Zeitung. „Obwohl die SZ die Täterherkunft bisher eher selten nannte – meist nur, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Tat stand –, schätzen viele Leser die Zahl krimineller Flüchtlinge in Sachsen erheblich höher ein, als sie ist“, heißt es in der Begründung. Das Überschätzen von Ausländerkriminalität stelle bundesweit ein gravierendes Problem dar, da es rassistische Vorurteile befördern könne. Dabei seien die Täter in der Regel Deutsche.
Die Umfrage unter den Lesern habe ein hohes Vertrauen in die Arbeit der Journalisten gezeigt, schreibt Reinhard. Dieses Vertrauen solle gefestigt werden. Das Thema Ausländerkriminalität sei eine besonders sensible Leser-Vertrauensfrage: „Es ist ja kein Geheimnis, dass etliche Deutsche glauben, die Medien würden in ihrer Berichterstattung die Herkunft ausländischer Straftäter aus Rücksicht auf diese verschweigen“, so die Sächsische Zeitung. Von den eigenen Lesern bejahten etwa 25 Prozent diese These.
Presserat bestätigte Richtlinie im März
Erst im März hatte der Presserat selbst darüber diskutiert, ob die Richtline zur Nennung beziehungsweise Nichtnennung der Nationalitäten von Verdächtigen noch zeitgemäß ist, gerade im Licht von Ereignissen wie den massenweisen sexuellen Übergriffen durch Migranten in der Silvesternacht. Das Gremium hatte entschieden, die Richtlinie beizubehalten, was auf ein geteiltes Echo gestoßen war.
Zur Entscheidung der Sächsischen Zeitung teilte der Deutsche Presserat auf Anfrage von pro mit, dass es „grundlegende Differenzen“ zwischen der Redaktion und der Auffassung des Presserates gebe. „Die Zeitung hat sich dafür entschieden, ihre Praxis in Bezug auf die Richtlinie 12.1 zu ändern, akzeptiert jedoch auch die Position der Freiwilligen Selbstkontrolle. Insofern werden wir Beschwerden gegen die Zeitung weiter prüfen und gegebenenfalls auch kritisieren.“
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Frank Überall, kritisierte das Vorgehen der Sächsischen Zeitung. Im Berliner Tagesspiegel erklärte er: „Die Anwendung des Pressekodex kann keine einseitige Rosinenpickerei sein.“ (pro)
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