Sachliche Asyl-Debatte muss möglich sein

Rechte Hetze, aber auch linke Polemik erschweren die Debatte um Flüchtlinge in Deutschland. Am meisten schadet das denen, die wirklich helfen wollen. Ein Kommentar von Moritz Breckner
Von PRO
Demonstration für Flüchtlinge im April in Berlin: Die Debatte ist emotional aufgeladen
In der Debatte um Flüchtlinge und Asyl sind die sozialen Netzwerke im Internet zu „unsozialen Netzwerken“ geworden, findet ein Sprecher des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Leider hat er recht: Der teils offene Hass gegen Flüchtlinge, der sich beispielsweise auf Facebook findet, ist entsetzlich. Immer mehr Nutzer hetzten dabei nicht nur unter Pseudonym, sondern unter ihrem echten Namen – offenbar sinkt die Hemmschwelle. Manche der Inhalte sind strafrechtlich relevant, etwa, wenn zu Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte aufgerufen wird. Dass sich derartige Anschläge häufen, ist traurige Realität geworden. Polizei und Behörden müssen alles daransetzen, die Täter zu finden, und auch klarstellen: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wer sich hier volksverhetzend äußert oder zu Straftaten aufruft, wird bestraft. Rechtsradikale Hetze ist ein Problem, aber sie ist nicht das einzige Problem, das eine vernünftige Diskussion um die Flüchtlingspolitik erschwert. Wenn etwa Grünen-Chefin Simone Peter dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) vorwirft, durch „geistige Brandstiftung“ zu echter Brandstiftung zu animieren, ist das parteipolitische Stimmungsmache. Auch Bischöfe wie Jochen Bohl und Grünen-Politiker wie Winfried Kretschmann stellen derzeit in Frage, ob alle Auswanderer aus den Balkanstaaten wirklich per Definition Flüchtlinge sind. Und nicht jeder, der auf die enormen Herausforderungen aufmerksam macht, welche die stark steigenden Flüchtlingszahlen mit sich bringen, ist ein verkappter Nazi.

Die Polemik von „Pro Asyl“ wird der Sache nicht gerecht

Auch die Befürworter einer möglichst offenen und großzügigen Asylpolitik nutzen die sozialen Medien, um für ihr Anliegen zu werben. Sie meinen es gut, driften aber schnell in Polemik und Selbstgerechtigkeit ab. Die Organisation „Pro Asyl“ zeigte auf ihrer Facebook-Seite eine Grafik, die sich schnell verbreitete. Darauf ist die Zahl der Flüchtlinge je 1.000 Einwohner zu sehen – von 257 im Libanon bis zu 2 in Deutschland. Abgesehen davon, dass der Libanon an der Grenze zu Syrien liegt und 75 Millionen Einwohner weniger hat als die Bundesrepublik: Es hilft den finanziell und logistisch überforderten Kommunen in Deutschland nicht, dass es im Libanon noch schwieriger aussieht. „Wir können nicht jedem eine Heimat geben, der aus Gründen zu uns kommt, die verständlich sind, aber kein Asyl rechtfertigen.“ Diesen Satz schrieb Charlotte Knobloch, die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, am Donnerstag in der Bild-Zeitung. Jeder, der wirklich Menschen helfen will, die aus großer Bedrohung geflohen sind, wird Knobloch zustimmen müssen, denn auch in Deutschland sind Ressourcen nicht unbegrenzt. „Dennoch“, erklärte Knobloch, „verunglimpfen Gesinnungswächter jene rationalen Politiker, die sich dieser Realität und Verantwortung verpflichtet fühlen.“ Umfragen zeigen: Die Deutschen wollen den Flüchtlingen helfen, und die Frage danach, wie das gelingen kann, gehört für sie derzeit zu den wichtigsten politischen Anliegen. Eine offene Debatte darüber ohne gegenseitige Diffamierung ist daher dringend notwendig. (pro)
https://www.pro-medienmagazin.de/politik/detailansicht/aktuell/bischof-fordert-differenzierung-beim-asylrecht-92862/
https://www.pro-medienmagazin.de/medien/internet/detailansicht/aktuell/wg-vermittlung-fuer-fluechtlinge-92121/
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