Ruinieren illegale Downloads unsere Kultur?

Es scheint zur Normalität geworden zu sein: Illegales Herunterladen von Büchern, Filmen und Musik. Eigentlich wissen wir schon lange, dass viele Menschen Inhalte aus dem Netz klauen. Am Dienstag hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ihre Studie zur "Digitalen Content-Nutzung" (DCN) in Berlin vorgestellt und damit handfeste Zahlen geliefert.
Von PRO

Die GfK fand in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzung (GVU), dem Börsenverein des deutschen Buchhandels und dem Bundesverband Musikindustrie e.V. (BVMI) heraus, dass in Deutschland im vergangenen Jahr 3,7 Millionen Menschen Inhalte jeglicher Art illegal aus dem Internet heruntergeladen haben.

Befragt wurden 10.000 Personen ab zehn Jahren. Von 65 Millionen Spielfilmen und 38 Millionen Serienfolgen, die in Deutschland im letzten Jahr aus dem Internet heruntergeladen wurden, fällt der größte Teil unter die Rubrik "illegal": So gelangten 83 Prozent der heruntergeladenen Filme und 61 Prozent der heruntergeladenen Serien über diverse Tauschbörsen und private Internetseiten zu den Nutzern. Im Vergleich dazu sind die Ausmaße der verkauften Filme und Serienfolgen von legalen Downloadportalen wie Apple iTunes mit etwa zehn Millionen eher bescheiden. Mit schuld an dieser Entwicklung sind die sogenannten Streaming-Portale, bei denen Filme und Serien kostenlos vom User angesehen und heruntergeladen werden können. In Deutschland nutzten im vergangenen Jahr bis zu 1,3 Millionen Menschen diese Angebote.

Der bekannteste Vertreter der Streaming-Portale ist "kino.to", das jedoch im Juni dieses Jahres gesperrt wurde und dessen Betreiber wegen Urheberrechtsverletzung verhaftet wurden. Der Nachfolger "kinox.to" ließ nicht lange auf sich warten und konnte die vorherige Datenbank fast vollständig wiederherstellen, ohne vom Netz genommen zu werden. Auf der Website von "kinox.to" findet sich folgender Satz, der erklärt, warum weder die Betreiber noch die Nutzer so einfach ausfindig gemacht werden können: "Der Service steht nicht in Europa und fällt somit nicht unter das Datenspeichergesetz." Die Domainendung ".to" gibt Aufschluss darüber, dass sich der genannte Service im südpazifischen Inselstaat Tonga befindet.

Der Anteil der illegal heruntergeladenen Medien in der Spielfilmbranche ist mit 83,2 Prozent am größten. Doch die DCN-Studie zeigt auch, dass sowohl die Musikindustrie als auch der Buchhandel längst genauso unter der Entwicklung zu leiden haben. Die Pirateriequote liegt für komplette Musikalben bei 74,3 Prozent und für E-Books bei 60,9 Prozent. Was die Musikindustrie angeht, konnte die Fehleinschätzung widerlegt werden, dass Nutzer illegaler Musikdateien trotzdem legale Musik kaufen. Die Studie beweist, dass 73 Prozent der Konsumenten illegaler Musikdateien kein Geld für legale Musik ausgeben. Die Übrigen investieren im Jahr durchschnittlich 18 Euro.

Zu der Frage, ob es sich mit Usern illegal erworbener Filme genauso verhält, äußerten sich die Forscher nicht. Es bleibt offen, ob die Nutzer von Streaming-Portalen der Filmindustrie tatsächlich in dem Ausmaß schaden, wie immer behauptet wird. Der Grund dafür ist, dass in der Filmindustrie verschiedene Verbände zuständig sind, bei denen in unterschiedlichen Zeitabständen Daten ausgewertet werden. Vom Verband der Filmverleiher e.V. (VDF) und von der Interessengemeinschaft der Videothekare Deutschlands (IVD) lagen Daten vor, aber beispielsweise vom Bundesverband Audiovisuelle Medien (BVV) fehlten diese. Somit konnten keine vollständigen Auswertungen der Daten in der Filmbranche vorgenommen werden. In der Musikindustrie war das möglich, da hier für alle Bereiche der BVMI zuständig ist.

"Legale Angebote müssen besser werden!"

Die Forscher untersuchten zwar den Zusammenhang zwischen der Schließung von "kino.to" und Suchbegriffen wie "Kinoprogramm"  bei der Internetsuchmaschine "Google", doch sie veröffentlichten die Ergebnisse nicht. Dem Christlichen Medienmagazin pro liegt ein unveröffentlichtes Dokument der GVU vor, das ein zunehmendes Interesse an legalen Quellen, wie Videotheken oder Kinos , nach der Schließung des Streaming-Portals "kino.to" aufzeigt.

Klar wird in der Studie jedoch, dass auch der neueste Trend, das Austauschen von externen Festplatten, die Entwicklung beeinflusst. Im Zeitalter der nahezu unbegrenzten Speicherkapazitäten sind Datenmengen von 500 Gigabyte kein Problem mehr und können mühelos von einem PC zum anderen verschoben werden. Innerhalb kürzester Zeit hat der Empfänger der Daten erst einmal ausgesorgt und das, ohne auch nur einen Cent zu bezahlen.

Die Studie macht deutlich, wie schwerwiegend das Problem der illegalen Mediennutzung tatsächlich ist, obwohl laut der Ergebnisse 80 Prozent der Deutschen über mögliche strafrechtliche Folgen Bescheid wissen. GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy befürchtet, die unzureichenden Sicherheitsvorkehrungen und Rechtsschutzmaßnahmen könnten die mutmaßlichen Täter geradezu ermuntern, sich illegal zu bereichern. Die Branchenverbände verlangen nach einem verstärkten Eingreifen der Bundesregierung. Durch vermehrte Warnhinweise an den richtigen Stellen könnte sich eine Besserung der Lage einstellen. Zumal die betreffenden Nutzer der illegalen Dienste zu 81 Prozent der Meinung sind, dass ein Warnmodell in gewissem Maße Abhilfe schaffen würde. Zu diesem Zweck müssten allerdings die Internet-Provider in das Vorhaben eingebunden werden, doch deren Einverständnis erfordere mit Sicherheit das Eingreifen des Gesetzgebers, so Alexander Skipis vom Börsenverein des deutschen Buchhandels der "Deutschen Presseagentur" (dpa) gegenüber.

Markus Beckedahl vom Verein "Digitale Gesellschaft", der sich für die Interessen der Internetnutzer einsetzt, sieht das Problem an einer anderen Stelle. Er gibt die Schuld den Urheberrechtsinhabern, die seiner Meinung nach an einer Verbesserung ihrer Angebote für Internetnutzer arbeiten sollten. Laut dpa schrieb Beckedahl in einer Mitteilung: "Wer nur teure und dann auch noch mangelhafte, restriktive Angebote macht, darf sich nicht wundern, wenn der wirtschaftliche Erfolg ausbleibt." Matthias Leonardy betont daraufhin, man sei bereits damit beschäftigt, den Anforderungen des Internets gerechter zu werden.

Sollten die wirtschaftlichen Nachteile der Urheberrechtsinhaber zunehmen, sei jedenfalls klar, dass sich dies auf die vielseitige Kulturlandschaft Deutschlands auswirken werde, so Alexander Skipis. (pro)

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