Rollenklischee im Kinder-TV besorgniserregend

Lieber Sexbomben à la Barbie statt Pippi Langstrumpf. Die weiblichen Hauptfiguren in vielen Zeichentrickfilmen prägen mit ihren Wespentaillen und unnatürlich langen Beinen das Schönheitsideal vieler Mädchen.
Von PRO

Seit mehr als zehn Jahren beobachtet Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München, die progressive Verwandlung weiblicher TV-Heldinnen zu regelrechten Sexbomben. Laut einer weltweiten Medienanalyse wird den Kindern in über 24 Ländern das stereotypische Bild eines superschlanken, attraktiven Mädchens in Animationsfilmen präsentiert.

„Pippi Langstrumpf ist kindisch, hat komische Klamotten und sieht blöd aus“, sagt Götz. Die für ihre Frechheit und außergewöhnliche Kraft einst so beliebte Pippi Langstrumpf, werde von „Kim Possible“ oder den „Supergirls“ aus der französischen Zeichentrickserie „Totally Spies“ (Voller Spione) verdrängt. Denn die Heldinnen dieser Serie sind „sexy und schön“. Die Serie „Totally Spies“ gilt zwar von der Animationsqualität her als ausgesprochen hochwertig, aber es wird auch allgemein kritisiert, dass die Figuren ein sehr oberflächliches Verhalten an den Tag legten. So scheinen die in hautenge Kleidung gepackten Protagonistinnen vor allem auf extremen Kaufkonsum oder Schönheitswahn Wert zu legen, mehr als auf geistige Ideale. Die Macher betonten jedoch, dass die Serie für Mädchen oder junge Frauen konzipiert sei, und sie so auch einen Teil der heutigen Jugendkultur spiegeln solle.

TV-Schönheiten fördern Selbstzweifel

Die Zahl der „Supergirls“ im Kinderprogramm habe vor allem durch die Animationsserien aus der japanischen Mangakultur zugenommen, so die Leiterin des IZI. Die nahezu perfekt erscheinenden weiblichen Trickfilmfiguren würden bei vielen Mädchen Selbstzweifel hervorrufen, da ihr Körper angesichts der Sexbomben im Programm geradezu defizitär wirke. Zudem sieht Götz in den präsentierten Idealen unter anderem einen Auslöser für die gestiegene Zahl essgestörter Jugendlicher in Deutschland. Laut einer neu veröffentlichen Studie leidet jeder achte Jugendliche zwischen elf und siebzehn Jahren unter Essstörungen. „Wenn Kinder schon von klein auf mit superdünnen TV-Figuren konfrontiert werden, brennt sich das ein. Niemand kann so perfekt sein, wie die Supergirls in den Serien dargestellt werden.“ Doch genau diese Erwartungen hätten die Mädchen an sich und setzen sich viel zu sehr unter Druck.

Ebenfalls problematisch seien auch die Stereotypen in Soaps und Reality-Shows, so Nadine Kloos vom Münchner Institut für Medienpädagogik. In den Sendungen werde ein völlig antiquiertes Bild von Partnerschaft vermittelt, wenn Frauen die Rollen der „schönen Geliebten“ spielten, in deren Welt sich alles um einen Mann drehe.

Eltern und Lehrer mitverantwortlich

Götz fordert realistische Vorbilder und appelliert deshalb an Filmemacher und Produzenten, weibliche Figuren wirklichkeitsnah und vielfältiger darzustellen. Auch wenn es realistische Vorbilder wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Moderatorinnen und Expertinnen gebe, reiche dies nicht aus, eine differenzierte Sichtweise zum Thema Geschlecht einzuführen. Verantwortlich seien aber auch die Eltern und Lehrer, die den Medienkonsum von Kindern am besten steuern und begleiten könnten. Die Zahl anspruchsvoller Kinderfilme sei zwar wieder angestiegen, doch man müsse die Kinder auch darauf hinweisen. (PRO)

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