Retuschierte Werbefotos: Gefährlicher Schönheitswahn

Makellose Körper und faltenfreie Haut – Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop machen's möglich. Medien und die Werbebranche setzen die digitalen Möglichkeiten gezielt ein. Nun musste ein Kosmetik-Hersteller seine Anzeige zurückziehen. Die amerikanische Kontrollbehörde "National Advertising Division" hatte die exzessive Photoshop-Manipulation angeprangert.
Von PRO

Das Werbefoto für Wimperntusche zeigt die Schauspielerin Taylor Swift mit zartem makellosem Teint und dichten schwarzen Wimpern. Das Foto suggeriert, dass durch die Nutzung der Mascara Wimpern doppelt so lang und dicht aussähen. Der Haken an der Sache steht in winziger Schrift am unteren Plakatrand: "Wimpern wurden in der Postproduktion verbessert", heißt es da. Das Werbefoto für die Mascara von "Cover Girl", eine Marke von "Procter & Gamble", wurde stark nachbearbeitet.

Wettbewerbsverzerrung duch Bildbearbeitung

Die Selbstregulierung der amerikanischen Werbeindustrie, "National Advertising Devision" (NAD), griff nun ein und sperrte die Anzeige. Das Verwenden von Photoshop bei der Präsentation eines Produktes für Kosmetik sei unsachgemäße Wettbewerbsverzerrung, so die Begründung. Weil Werbeträger über gleichmäßige Gesichtszüge und monochrome Haut verfügen sollen, wird der Teint nachkoloriert, sogar Nasen, Mund und Augenbrauen werden, um symmetrisch zu wirken, versetzt. Das bewertet die NAD als Irreführung der Kunden. "Die Richtlinien verlangen, dass Werbung wahrheitsgemäß, korrekt und nicht irreführend sein darf", sagte NAD-Direktorin Celine Levine gegenüber der "New York Times".

In Großbritannien wurden aus ähnlichen Gründen zwei Kampagnen mit Prominenten verbannt. In Frankreich gab es bereits 2009 einen Gesetzesentwurf zu der Thematik: Weil manipulierte Fotos ein unrealistisches Schönheitsideal vermittelten und daher besonders für junge Mädchen gefährlich seien, wollten 50 Abgeordnete retuschierte Bilder zwar nicht verbieten, aber deutlich sichtbar kennzeichnen lassen.

Medien vermitteln fragwürdige Idealbilder

Die britische Tageszeitung "Daily Telegraph" berichtete, dass britische Schüler künftig im Unterricht über Foto-Manipulation und das dadurch entstehende perfekte Menschenbild aufgeklärt werden sollen. Schon Grundschüler sollen mit normalen und retuschierten Britney Spears-Bildern konfrontiert werden und dadurch die Tricks der Werbebranche durchschauen lernen.

"Täglich werden junge Menschen einem unmöglichen Standard durch die von Medien und Werbung vermittelten Bilder ausgesetzt", erklärte Lynne Featherstone,  britische Ministerin für Gleichstellung, laut dem "Telegraph". "Es gibt Hinweise darauf, dass sich das negativ auf das Selbstbewusstsein auswirkt." Ihr Anliegen sei es, den Kindern zu vermitteln, dass weitaus mehr zähle, als nur das äußere Erscheinungsbild.

Auch deutsche Exeprten sehen den Schönheitswahn mit Sorge. Die Ärztin und Diplom-Psychologin Isabella Heuser beobachtet weitere Auswirkungen: Das wachsende Bedürfnis, sich nach dem aktuellen "Barbie"-Schönheitsideal auch operativ modellieren zu lassen, habe die Gesellschaft vor allem den Medien zu verdanken. "Sie sind es, die dieses Schönheitsideal vermitteln", sagt sie im Interview mit dem "Stern".

Perfekte Promi-Bilder tragen zu Entwicklungsstörungen bei

"Die Wirkung derartiger Darstellungen ist ganz unbestritten und hat mit einiger Sicherheit zur Entwicklung von Essstörungen mit beigetragen", sagt Dietmar Seehuber, Leiter der Abteilung Psychosomatik der Klinik "Hohe Mark" auf Nachfrage von pro. "Schlankheit, sexuelle Attraktivität, Energie und Straffheit wurden mit einem erfolgreichen und attraktiven Typus identifiziert, dem man natürlich nachstreben sollte oder gar muss, wenn man ‚in‘ sein muss."  Schönheitsideale und Selbstwertgefühl junger Frauen werden vor allem durch soziale Erfahrungen in persönlichen Beziehungen, aber auch durch Unterstützung und Förderung, beeinflusst.  Trotzdem gilt: "Werbebotschaften verfehlen ihre Wirkung nicht!", sagt der Kinder-und Jugendpsychiater. Vor allem Mädchen und junge Frauen seien anfällig für die Schönheitsideale.

Anders sieht das die Generalsekretärin vom CVJM Westbund, Hildegard vom Baur: "In Gesprächen äußern sich junge Menschen so, dass sie differenzieren können
zwischen Original und Fotos." Am Verhalten und in den Gesprächen merkten die Mitarbeiter allerdings, wie stark und oft unterschwellig bestimmte Schönheitsideale wirkten. Besonders Teenager versuchten, bestimmten Schönheitsidealen nachzueifern.

Jungen erlebten den Körper eher als "Medium von Leistung und Stärke, Dominanz und Maskulinität". Allerdings seien die "Einwirkungen auf die Identitätsentwicklung nicht so stark ausgeprägt wie bei den Mädchen, da die Verarbeitung anders läuft", erklärt Seehuber.

Psychologin Heuser ist davon überzeugt, dass Mädchen in unserer westlichen Welt, die beherrscht ist von Bildern, entsprechend erzogen und geleitet werden müssen. Es müsse ihnen beigebracht werden, dass Selbstwert nicht nur und schon gar nicht vor allem aus dem Äußeren gespeist sei. "Kümmert euch darum, dass eure inneren Werte stimmen, dass ihr euch bildet, dass ihr einen Job findet, der Spaß macht. Zieht daraus die Anerkennung!". fordert sie junge Frauen im "Stern"-Interview auf. (pro)

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