„Wer die Narrative kontrolliert, kontrolliert die Realität.“ Mit diesen Worten von „Republica“-Veranstalter Johnny Häusler begann am Montagmorgen die Netzkonferenz in der Hauptstadt. Die Besucher rief er dazu auf: „Wir wollen die guten neuen Zeiten gestalten und zeigen, dass die Zukunft der Demokratie nicht in den Händen von Algorithmen liegt.“ Und, so fügte er hinzu, nicht in jenen der Autokraten und Plattformbetreiber.
Markus Beckedahl, ebenfalls Teil des Konferenz-Gründungsteams, rief dazu auf, nichts mehr auf der Plattform „X“ zu posten und keine Netzwerke zu stärken, die in der Hand einzelner Milliardäre lägen, in diesem Fall Elon Musk. „Digitaler Faschismus ist keine Dystopie mehr, er wird real“, warnte er und fragte: „Wie können wir digitale Souveränität zurückgewinnen?“
Es ist diese Frage, an der sich Experten und Netzaktivisten dann am ersten Tag der Internetkonferenz abarbeiteten. Wie umgehen mit Netzgefahren, mit dem Hass auf Plattformen, mit den anscheinend alles dominierenden Algorithmen?

Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen warnte vor „vernetzter Gewalt“. Damit meinte er das Zusammenspiel zivilgesellschaftlicher, politischer oder auch journalistischer Akteure im Netz, das zu Fake-News oder Shitstorms führen kann. Als Beispiel nannte er die jüngste virale Netzlüge über die angeblich koksenden Regierungschefs Emmanuel Macron, Friedrich Merz und Keir Starmer. Im Netz gebe es „ganz viel Gereiztheit, Verstörung, Enttäuschung“, sagte Pörksen und nannte dies „Schmerzen der ständigen Erreichbarkeit“.
„Schmerzen der ständigen Erreichbarkeit“
So könnten heute auch gänzlich Unbekannte ins Zentrum öffentlicher Empörung geraten, ein „digitaler Schmetterlingseffekt“, der schon durch minimale Anstöße ausgelöst werde. Durch neue, professionelle und effektive Manipulationsmöglichkeiten sei das Wahrheitsempfinden ganzer Gesellschaften betäubt.
Die so entstehende Einschüchterungsgewalt des Netzes wirke zutiefst anti-emanzipatorisch: „Man duckt sich einfach weg.“ Deshalb reiche es nicht, auf Medienkompetenz zu hoffen und Schulen mit iPads zu versorgen, um die Gefahren einzudämmen. Es brauche „behutsame Regulierungsanstrengungen“, sagte Pörksen und lobte etwa den „Digital Services Act“, jenes europäische Gesetz, das Plattformbetreiber dazu verpflichtet, menschenfeindliche Inhalte zu löschen.
Allein an der Umsetzung hapere es aber, auch wegen geopolitischer Verwerfungen zwischen den USA und Europa. In Richtung Elon Musk sagte Pörksen deshalb: „Die Abwehr menschenfeindlicher Inhalte ist keine Zensur. Man nennt es einfach Zivilisation.“

Wie schwer es ist, Menschenrechte im Netz zu verteidigen, davon berichteten die Anwälte Jessica Flint und Chan-jo Jun. Ihre Kanzlei vertritt unter anderem die Politikerin Renate Künast, wenn sie sich gegen Hass im Netz wehrt.
„Gesetze fürs Schaufenster“
„Die Gesetze sind nur fürs Schaufenster, die setzen sie nicht durch“, sagte Jun. Vor Gericht stellten sich Plattformbetreiber oft schlicht dumm und gäben vor, nicht in der Lage zu sein, bösartige Inhalte zu löschen. Deshalb fordert er: Persönlichkeitsrechtsverletzungen müssten genauso behandelt werden, wie Urheberrechtsverletzungen oder Patentverletzungen, also höhere Strafen nach sich ziehen. „Der Schadenersatz muss mindestens so hoch sein wie das, was Elon Musk mit der Verbreitung verdient“, so Jun.
Flint ergänzte, die Durchsetzung von Gesetzen sei Sache des Staates. In Deutschland aber sei es „dein persönliches Problem, wenn du mit Hass konfrontiert wirst. Das kann nicht sein“. Auch sie rief zu einer rechtlichen Netzregulierung auf. Doch: „Jeder, der dieses Thema anfasst, wird angegriffen.“ Digitalpolitik sei wie eine heiße Kartoffel, man habe nicht nur die gegen sich, die Hass schürten, sondern auch jene, die sich Sorgen um digitale Freiheiten machten. Für Flint aber ist die Sache klar: Angst vor dem Staat und seiner Kontrolle sei manchmal angebracht. Doch viel mehr Angst müsse man heute vor den Netzwerkbetreibern haben. Sie seien die wirklich mächtigen Player.